Analyse zu Roald DahlEin Verlag schreibt seinen Autor um
Roald Dahl hat über 250 Millionen Kinderbücher verkauft. Jetzt hat ihn der Puffin-Verlag umschreiben lassen. Und damit massive internationale Kritik ausgelöst. Zu Recht.
Am Montag hatte die englische Tageszeitung «The Telegraph» Zensureingriffe am Werk von Roald Dahl publik gemacht. Dem Artikel zufolge wurden Hunderte von Wörtern oder Passagen in Dahls Büchern auf Geheiss seines Verlags und im Einverständnis mit Dahls Erben so umgeschrieben, dass sie mit sprachhygienischen Forderungen kompatibel wurden. Auffällig an den Eingriffen des Verlags ist der Einfluss einer Nichtregierungsorganisation, die sich «Inclusive Minds» nennt. Laut verschiedenen Zeitungsberichten hat sich Puffin von dieser Organisation beraten lassen.
Die Reaktionen fallen heftig aus. Die Weltpresse hat verärgert auf den Entscheid des britischen Verlags Puffin reagiert, den multimillionenfach gelesenen und in über 60 Sprachen übersetzten walisischen Kinderbuchautor Roald Dahl zu zensieren.
Unter vielen anderen hat sich der Schriftsteller Salman Rushdie über die Eingriffe beklagt. Für den indo-britischen Schriftsteller, der selber wegen seines Buches «Die satanischen Verse» und eines Fanatikers mit Messer beinahe sein Leben verlor, stellen sie eine «absurde Zensur» dar durch eine «verhunzende Empfindsamkeits-Polizei», wie er in einem Tweet kritisiert.
Netflix gab den Anlass
Anlass für die Zensur ist der Entscheid des amerikanischen Streamingdienstes Netflix von 2021, die gesamten Rechte von Dahls Büchern für 686 Millionen Dollar zu kaufen. Da Puffin in der Folge manche dieser Bücher hat umschreiben lassen, werden alle Verfilmungen von jetzt an politisch korrekt umgesetzt.
Von Dahls Büchern wurden mehrere verfilmt. Etwa «Charlie and the Chocolate Factory» mit Johnny Depp in der Hauptrolle, eine glänzende Verfilmung von «The Fantastic Mr. Fox» durch Wes Anderson und die teilweise beängstigende Filmversion von «Matilda» über ein hochintelligentes, von den Eltern und der Lehrerin geplagtes Mädchen mit übersinnlichen Fähigkeiten.
Die Problematik der «schwarzen Traktoren»
Aber sind denn die vorgenommenen Änderungen so schlimm? Klar ist, dass sie bedeutend sind. Und auf Sinn und Inhalt einzelner Passagen starken Einfluss nehmen. Stets geht es bei den Eingriffen darum, nicht nur offen rassistische Bemerkungen zu tilgen, sondern alles zu entfernen, was irgendeine Minderheit verletzen oder aus nicht nachvollziehbaren Gründen Leserinnen und Leser stören könnte: Dazu gehören etwa das Adjektiv «fett» oder «hässlich»; die Farbe der «schwarzen Traktoren» im «Fantastic Mr. Fox». Und so weiter.
Nun war Roald Dahl «kein Engel», wie Salman Rushdie vielsagend anmerkt. Denn der Kinderbuchautor und ehemalige Weltkriegssoldat war ein bekennender Antisemit und hatte nachweisbar rassistische und misogyne Züge. Wie man mit solchen Problemen umgeht, hat ausgerechnet der Familienkonzern Disney vorgemacht (dessen Gründer man ebenfalls antisemitische Reflexe vorwarf). Disney weist vor heiklen oder umstrittenen Passagen am Anfang des Filmes darauf hin.
Was aber der Puffin-Verlag und Dahls Erben betreiben, lässt sich nicht anders begreifen als ein Umschreiben der Vergangenheit.
Was aber der Puffin-Verlag und Dahls Erben und mit ihnen die NGO «Inclusive Minds» ohne Roald Dahls Zustimmung betreiben, lässt sich nicht anders begreifen als ein Umschreiben der Vergangenheit. Der Roman, in dem dieser Prozess exemplarisch beschrieben wird, entstand 1948. Das Buch dazu heisst «1984». Geschrieben hat es George Orwell.
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