AboInterview zur Woke-Debatte«Die Warnungen vor der Cancel-Culture haben etwas Obsessives»
Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub sagt: Wer vor Cancel-Culture warnt, schürt moralische Panik. Besonders heftig kritisiert er eine Schweizer Zeitung.

Herr Daub, Sie behaupten in Ihrem Buch, die Welt sei von einer Panik erfasst – der Panik vor der Cancel-Culture. Wie kommen Sie darauf?
Ich spreche von einer moralischen Panik. Das ist ein Fachbegriff aus der Soziologie, der in den 70er-Jahren in Grossbritannien entwickelt wurde. Er bezeichnet eine Form der Aufmerksamkeitsökonomie, bei der irgendwelche Meinungsführer behaupten, bestimmte Vorfälle seien äusserst wichtig für die Gesamtgesellschaft. Und dies, obwohl es objektiv betrachtet gar nicht so viele Fälle sind oder sie sich nur in marginalen Communitys ereignet haben. Oder obwohl sie schon lange zurückliegen.