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Libor-Hypotheken: Rechtsunsicherheit wegen Negativzinsen
Ein Urteil, das für Hauseigentümer erfreuliche Folgen haben könnte

Die Negativzinsen schaffen Rechtsunsicherheit bei älteren Verträgen für Libor-Hypotheken. Für Hauseigentümer könnte dies ein Vorteil sein. 
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Ein aktuelles Gerichtsurteil lässt schweizweit Hauseigentümer hoffen: Banken droht, dass sie einzelnen Kunden Zehntausende Franken an zu viel bezahlten Hypothekarzinsen zurückzahlen müssen. Dabei geht es um Libor-Hypotheken, die vor 2015 vertraglich vereinbart worden sind. Solche Geldmarkt-Hypotheken zeichnen sich dadurch aus, dass sie laufend an den aktuellen Marktzins angepasst werden.

Im vorliegenden Fall geht es um ein Urteil des Zürcher Obergerichts vom 19. Januar dieses Jahres, über das die «Neue Zürcher Zeitung» kürzlich berichtete. Ein Kunde klagte gegen seine Bank, weil der Rahmenvertrag zur Libor-Hypothek Interpretationsspielraum offenlässt. Der Kunde verweist darauf, dass im Vertrag aus dem Jahr 2012 zur Zinsberechnung folgende Formel verankert worden sei: aktueller Libor-Zinssatz plus eine Marge von 0,4 Prozent der Bank.

Kunde will 150’000 Franken plus 5 Prozent Verzugszins

Nach 2015 fiel der Libor unter null. Der hier relevante Satz bewegte sich von Anfang 2015 und April 2019 bei ungefähr –0,8 Prozent, wie der Kläger argumentiert. Selbst mit der Bankmarge kommt der Kunde bei seiner Libor-Hypothek gemäss Rahmenvertrag so auf einen Minuszins von rund 0,4 Prozent. Die Bank hätte demnach dem Kunden für die Hypothek einen Zins bezahlen müssen und nicht umgekehrt. Der Kunde fordert deshalb in seiner Klage, dass ihm die Bank für eine Laufzeit von rund fünf Jahren wenigstens die abgebuchte Marge zurückgibt. Dabei geht es um einen Betrag von knapp 150’000 Franken. Zusätzlich verlangt der Kunde einen Verzugszins von 5 Prozent.

Die Bank, die nicht namentlich genannt wird, lehnt die Forderung ab. Sie argumentiert, es sei nie vorgesehen gewesen, dass der Zinssatz unter null fällt. Nach ihrer Rechnung war der Kunde stets verpflichtet, mindestens die Marge von rund 0,4 Prozent zu entrichten. Und dies habe der Kunde auch so akzeptiert, da er die entsprechenden Abbuchungen von seinem Konto nicht beanstandet habe. Weiter seit dem Kunden in Bestätigungsschreiben mitgeteilt worden, dass im Falle eines negativen Libors mit einem Zinssatz von 0 Prozent gerechnet werde. Der Kunde habe nicht gegen diese Bestätigungen protestiert und deshalb diese Konditionen stillschweigend akzeptiert.

Der Kunde hat «keinen Anspruch auf eine Gratishypothek auf seiner Luxusimmobilie».

Stellungnahme der beklagten Bank

So kommt die beklagte Bank zum Schluss, der Kunde habe «keinen Anspruch auf eine Gratishypothek auf seiner Luxusimmobilie». Die erste Gerichtsinstanz gab der Bank recht und wies die Klage ab. Das Zürcher Obergericht kommt in seinem Urteil vom 19. Januar jedoch zu einem anderen Schluss: Dass der Kunde nicht gegen die Bestätigungsschreiben und die Zinsabbuchungen protestiert hat, begründet keinen rechtsverbindlichen Konsens. Stattdessen braucht es zusätzliche Belege. Denkbar sind beispielsweise mündliche Informationen im Beratungsgespräch oder bei der Vertragsunterzeichnung, wobei so die Beweisführung schwieriger ist.

Es drohen Forderungen in der Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags

Gelingt die Beweisführung nicht, kann der Kunde auf eine Rückzahlung der Hypothekarzinsen hoffen. Und er dürfte nicht der Einzige sein. Lorenz Heim, Hypothekenexperte bei der Beraterin VZ Vermögenszentrum, weiss, dass viele Banken ihre Rahmenverträge für bestehende Kunden erst nach 2015 angepasst haben, um sich gegen das Risiko von Minuszinsen abzusichern. Ausgehend von einem Gesamtvolumen der Libor-Hypotheken von 150 bis 200 Milliarden Franken schätzt er, dass Kunden insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag zurückfordern könnten, wenn Banken nicht rechtzeitig eine Zinsuntergrenze von null Prozent vereinbart haben.

«Das Urteil des Zürcher Obergerichts ist unangenehm für Banken», sagt Corinne Zellweger-Gutknecht, Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Basel. Denn es zeige, dass eine Bank mit Bestätigungsschreiben allein den Rahmenvertrag einer Hypothek nicht beeinflussen könne.

Mit Forderungen nicht zu lange warten

Hauseigentümer, die Libor-Zinsen zurückfordern wollen, müssen ihren Vertrag prüfen. Es besteht eine rechtliche Chance, wenn der Vertrag vor 2015 abgeschlossen worden ist und die Bank sich darin noch nicht gegen das Negativzins-Risiko abgesichert hat. Wie Zellweger-Gutknecht erläutert, müssten Betroffene ein Verfahren einleiten und sollten damit nicht mehr lange zuwarten: «Es wäre fragwürdig, wenn Kunden nach Bekanntwerden mehrere Jahre zuwarten und noch fünf Prozent Verzugszins verlangen.» Und schliesslich müsste ein Kläger das Bestätigungsschreiben der Bank kritisch hinterfragen, falls dieses etwas anderes aussagt als der Rahmenvertrag. Laut Zellweger-Gutknecht reicht es aber bereits aus, beim Gericht Zweifel daran zu wecken, dass ein Bestätigungsschreiben eine nachträglich vereinbarte Abweichung vom Vertrag wiedergibt.

Es ist noch unklar, welche Folgen das für die Banken hat. Monika Sommer, Juristin und stellvertretende Direktorin beim Hauseigentümerverband Schweiz, geht davon aus, dass Banken aufwendige Beweisverfahren vermeiden und sich stattdessen oft einvernehmlich einigen werden: «Sie haben ein Interesse daran, gute Kunden zu behalten.» Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum könnte sich vorstellen, dass viele Kunden freiwillig auf eine solche Forderung verzichten, selbst wenn sie diese rechtlich durchsetzen könnten. «Das wäre fair», meint er. Denn bei Vertragsabschluss seien weder die Bank noch der Kunde von einem negativen Libor-Zins ausgegangen.