Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ein Tag im Leben
«Ich bin handwerklich unbegabt, als Clownin mache ich mir das zunutze»

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ich bin ein Nachtmensch. Wenn alle schlafen und es ganz ruhig wird im Haus, komme ich in einen Flow. Dann kann es sein, dass ich bis zwei Uhr Rechnungen schreibe oder den Keller aufräume. Leider verträgt sich das schlecht mit dem Familienalltag, da meine Kinder um 7.15 Uhr zur Schule müssen. Deshalb liebe ich den Dienstag. Von Montag auf Dienstag übernachte ich in einer Wohngemeinschaft in Winterthur – da kann ich ausschlafen, spät frühstücken, nach meinem Rhythmus leben und arbeiten. Dann entwickle ich als Myra May, mein Künstlerinnenname, Ideen für meine Auftritte oder bereite meine Theater- und Zirkuskurse für Kinder vor. Die städtische Atmosphäre inspiriert mich.

Den Rest der Woche lebe ich mit meinem Mann und meinen zehn- und zwölfjährigen Söhnen auf dem Land. Dass wir vor drei Jahren in dem kleinen Dorf im Thurgau gelandet sind, wo ich zeitweise aufgewachsen bin und wo meine Mutter immer noch lebt, ist schon speziell. Denn als ich meinen Mann kennenlernte, bewirtschaftete er einen Bauernhof in der Innerschweiz – und da man einen Bauernhof schlecht zügeln kann, zog ich zu ihm. Der Hof war abgelegen. Am Anfang war es ein Kulturschock. Dabei hatte ich mir ja einen Bauern als Partner gewünscht. Seine ruhige Ausstrahlung tut mir gut, sie schafft einen Ausgleich zu meinem wuseligen Künstlerinnenleben. Inzwischen arbeitet mein Mann allerdings nicht mehr als Bauer. Vor neun Jahren hatte er genug von der Landwirtschaft, und nachdem wir ein Jahr lang gemeinsam mit einem Zirkus auf Tournee waren, zogen wir zuerst nach Winterthur und dann hierher in den Thurgau.

Ich hatte eigentlich nicht vor, zu meinen Wurzeln zurückzukehren! Doch meinem Mann hatte die Gegend schon immer gut gefallen, und bei einem Spaziergang entdeckten wir dieses Haus. Wir sahen, dass es leer stand, und fanden heraus, wem es gehörte. Am Donnerstag schauten wir uns das Haus an, am Freitag sagten wir zu, am Montag bezahlten wir. So unkompliziert und schnell entstehen viele unserer Projekte. Den Umbau haben wir selbst gemanagt: Ich hatte die Ideen, mein Mann setzte sie um. Ich bin handwerklich unbegabt, habe zwei linke Hände. Als Clownin mache ich mir das zunutze.

Das komische Talent war schon immer da, doch erst zwei Autounfälle mit Ende zwanzig brachten mich dazu, meinen Traum zu leben. Nach der Schule hatte ich zuerst eine kaufmännische Ausbildung gemacht, obwohl ich eigentlich Schauspielerin oder Kindergärtnerin werden wollte. Nach den Unfällen hiess es, ich könne nicht mehr acht Stunden pro Tag in einem Büro sitzen. Das Schicksal führte mich zu einer tollen Berufsberaterin, die mir zeigte, dass ich als Theaterpädagogin meine beiden Leidenschaften Theater und Kinder vereinen könnte. Nach der vierjährigen Ausbildung machte ich später eine Weiterbildung zur Clownin.

Bei meinen Zirkus- und Theaterprojekten versuche ich, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Jeder Mensch hat einen Schatz in sich, den er finden sollte. Ich sehe meine Aufgabe darin, dabei zu helfen. Das Programm entwickle ich zusammen mit den Kindern, indem ich aufnehme, was von ihnen kommt. Die Aufführung am Ende ist zwar das Highlight, doch mir geht es um viel mehr. Lehrpersonen und Eltern staunen jeweils, was bei den Kindern innert kurzer Zeit an persönlicher Entwicklung möglich ist.

Eine Weile lang unterrichtete ich nur, merkte aber, dass mir das Spielen fehlte. Nun bin ich mit meinem Bühnenprogramm «Maximilia reist nach Australien» und als Clownin in der halben Schweiz unterwegs.

Wenn ich tagsüber als Mutter und Hausfrau zu Hause bin und abends ein Auftritt ansteht, bin ich ungeniessbar. Es fällt mir schwer, Myriam und Myra zu vereinen. Lieber bin ich an einem Tag die eine und an einem anderen Tag die andere.

Protokoll: Seraina Sattler

Newsletter
Das Magazin
Erhalten Sie die besten Hintergründe und Recherchen des Kult-Magazins.

Weitere Newsletter