Ein Tag im Leben einer Wildtierkontrolleurin«Es war sehr schmutzig»
Raphaela Lienert (41) kontrolliert das Halten von Giftschlangen und anderen Wildtieren. Manchmal wird sie dabei zur Detektivin.
Ich stehe meist zwischen sechs und halb sieben auf und nehme nur schnell einen Kaffee. Wenn wir eine unangemeldete Kontrolle machen, zum Beispiel bei einem Halter von Giftschlangen, müssen wir zum Teil schon um 7.30 Uhr oder noch früher bei der entsprechenden Person zu Hause aufkreuzen, bevor diese zur Arbeit aufbricht. Wir gehen meist zu zweit, oft auch mit der Polizei. Diese befasst sich um den Halter, der extern beigezogene Reptilienexperte und ich kümmern uns um die Schlange und die Einhaltung des Tierschutzgesetzes. Ich bin Wildtierbiologin und arbeite seit zehn Jahren im Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern.
Ich prüfe etwa, ob das Terrarium gross genug ist – mindestens eine Schlangenlänge. Auch müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit stimmen, viele Giftschlangen sind in tropischen Gegenden heimisch. Wichtig ist natürlich auch, dass die Tiere nicht entweichen können.
Vor einem guten Jahr mussten wir mit der Polizei bei einem allein lebenden Mann mehrere Schlangen beschlagnahmen, darunter eine giftige Bambusotter. Die Terrarien waren viel zu klein, und die Tiere hatten kein Wasser. Unsere vorgängig kommunizierten Fristen, um dies zu ändern, liess der Halter ungenutzt verstreichen. Deshalb mussten wir die Schlangen beim dritten Besuch einziehen. Die Tiere wurden bei anderen Privatpersonen untergebracht. Angst habe ich nicht vor giftigen Schlangen, Respekt aber schon.
Im Kanton Bern gibt es rund dreissig private Halter von Giftschlangen, die brauchen dafür wie in der ganzen Schweiz eine Bewilligung. Zunächst erlauben wir das Anschaffen einer weniger giftigen Schlange, bevor wirklich gefährliche und schwieriger zu haltende Tiere wie Kobras erworben werden dürfen.
Alle zwei bis vier Jahre machen wir vor Ort eine Kontrolle. Häufig erfolgt diese auf vorherige Ankündigung. Wenn wir aber Hinweise haben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, gehen wir unangemeldet hin.
Ich kontrolliere bei Privaten häufig auch andere Wildtiere wie Frettchen und Grosspapageien. Frettchen sind marderähnliche Tiere und recht beliebt. Sie werden oft freilaufend in einem Zimmer untergebracht. Viele Leute sind sich aber nicht bewusst, dass Frettchen einen strengen Wildtiergeruch haben.
Sowieso ist die Hygiene bei der Tierhaltung wichtig. Einmal tauchten wir unangemeldet bei einer Tierhalterin auf. Ihre Mutter öffnete uns die Tür und sagte, ihre Tochter sei abwesend, liess uns dennoch herein. Wir fanden im und ums Haus diverse Vögel wie Gelbbrustaras, Sittiche und Wachteln.
Es war sehr schmutzig. Auf einmal stellten wir fest, dass sich die Halterin, eine Frau um die fünfzig, auf dem Sofa unter einer Bettdecke versteckte. Diese Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik, ich musste später darüber lachen. Auf unsere Anordnung hin reduzierte sie die Zahl ihrer Tiere.
Wenn ich im Büro bin, beantworte ich Anfragen und schreibe Berichte über vorgenommene Kontrollen. Gegenwärtig erhalte ich zahlreiche Mails wegen der Anschaffung exotischer Tierarten wie Kleinaffen, allerdings sind da die Hürden noch höher als bei Schlangen. Bis vor wenigen Jahren hielt im Kanton Bern ein Privater sogar zwei Leoparden im Garten. Dies war damals legal, würde heute aber so wohl nicht mehr bewilligt.
Gegen 17 Uhr mache ich meist Feierabend. Dann kümmere ich mich um meine zwei Kinder – in der Früh ist mein Mann zuständig. Haustiere habe ich nicht, neben Beruf und Familie bleibt mir keine Zeit dafür. Wenn schon, dann würde ich wohl einen Hund anschaffen. Dafür braucht es bekanntlich keine Bewilligung. Wenn aber eine Meldung eingeht, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, gibt es durchaus auch für Hunde Kontrollen – dafür sind dann meine Kollegen im Amt zuständig.
Protokoll: Stefan Boss
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