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Das ganz besondere Winterhotel
Ein Refugium trotzt Rummel, Wind und Wetter

Urs von Almen mit Hund Erik.

Dreht man sich im Zimmer 21 im Bett nach rechts, grüssen die Jungfrau und das Silberhorn durchs Fenster. Späht man auf dem Rücken liegend über die Bettdecke, so erblickt man die imposanteste Felskulisse der Alpen, die Eigernordwand. Im Dreistern-Hotel Jungfrau Wengernalp wachen die Gäste in Nachbarschaft der Giganten des Berner Oberlandes auf. «Das Gebirge vis-à-vis sieht fast unverändert gleich aus - es verpflichtet uns zu einer gewissen Beständigkeit», glaubt Urs von Almen.

«Wir sind den Launen der Natur sehr ausgesetzt.»

Urs von Almen

Der 60-Jährige führt mit seiner Frau Patricia das Hotel Jungfrau auf der Wengernalp, fast 1900 Meter über Meer. Der von aussen trutzig wirkende Bau mit 24 Zimmern liegt unterhalb des weltberühmten Hundschopf, einer furchterregenden Schlüsselstelle der Lauberhornabfahrt. Das Rennen der besten Skicracks ist ein Klassiker - und in gewissem Sinn ist das auch das Hotel Jungfrau. 1837 wurde hier die erste Gastwirtschaft gebaut. 1841 erfolgte die Erweiterung zum Hotel de la Jungfrau, 24 Jahre später entstand das heutige Hauptgebäude.

Das Berghotel trotzt Wind und Wetter. Allerdings riss 1961 der Guggiföhn, der auch den Organisatoren der Lauberhornabfahrt schon einige Streiche spielte, in einem Jahrhundertsturm das Dach vom Haus. Die Folge: ein grosser Umbau mit einem weiteren Stockwerk, einem Giebeldach und Bädern in allen Zimmern. Immer wieder stürzt sich der Föhn mit beeindruckender Wucht vom Jungfraujoch auf die Wengernalp. «Wir sind den Launen der Natur sehr ausgesetzt. Sie prägen unser Leben im alpinen Raum», sagt von Almen.

Die ersten Gäste kamen zu Fuss

Im letzten Sommer feierte das Hotel eine Premiere - erstmals nach 52 Jahren öffnete die Wengernalp auch im Sommer die Türen, von Ende Mai bis Mitte September. «Die Gäste genossen es. Die Auslastung blieb wegen des durchzogenen Wetters noch etwas unbefriedigend», bilanziert der Hotelier, der das Haus auch im kommenden Sommer wieder mit Leben füllen will.

Schliesslich war das ehrwürdige Berghotel einst für den Sommerbetrieb gebaut worden. Während der Zeit der Romantik stiegen die Gäste von Lauterbrunnen oder Grindelwald zu Fuss den steilen Weg hinauf, um die grossartige Gebirgslandschaft zu erleben. Die Eröffnung des Hotels in der kalten Jahreszeit ergab erst mit dem Winterbetrieb der Wengernalpbahn ab 1912 Sinn.

«Wir hoffen auf den Beginn einer gewissen Normalität.»

Vom vierten Adventswochenende an wird Erik, der riesige Leonberger mit dem treuen Blick und dem dicken Fell, die Wintergäste freudig begrüssen, die mit der Bahn auf der Wengernalp ankommen. «Wir hoffen auf den Beginn einer gewissen Normalität», sagt Urs von Almen. Normalität auf der Wengernalp bedeutet, dass neben den Schweizern auch die ausländischen Stammgäste, darunter viele Engländer, wieder zurückkehren. Und Winter auf der Wengernalp bedeutet: oft viel Schnee und tiefe Temperaturen - und abends Stille und Einsamkeit.

Am Morgen sind die Gäste die Ersten, die per Sessellift zum Lauberhorn schweben, einem Tor zum gesamten Jungfrau-Skigebiet. «Die Leute bleiben im Hotel unter sich», beschreibt von Almen, «viele Stammgäste kommen auch ein wenig nach Hause.»

Schon seine Eltern und Vorfahren waren Hoteliers, Bruder Andreas führt auf der Kleinen Scheidegg das ebenso legendäre Bellevue des Alpes. Er sei in einem sehr internationalen Umfeld gross geworden - das habe ihn geprägt, fügt Urs von Almen an. Wie auf Kommando erscheint ein englischer Gentleman im Alpstübli. Der Hotelchef springt auf und begrüsst den alten Bekannten. Jamie sei früher oft Hotelgast gewesen, er habe nun eine Ferienwohnung in Wengen, schaue aber regelmässig auf der Wengernalp vorbei.

Im Jackett zum Dinner

Im alpinen Refugium gelten eigene Regeln: Die Kundschaft wird höflich gebeten, zum Dinner nicht in Sportkleidung oder Jeans zu erscheinen - die Herren vorzugsweise mit Jackett. «Es ist auch eine Frage des Respekts, im Speisesaal auf gepflegte Erscheinung zu achten, wir haben hier oben keine Ausweichmöglichkeiten», präzisiert Urs von Almen. Vom abendlichen Dresscode auf steife Umgangsformen zu schliessen, wäre aber falsch. «Wir pflegen ein sehr freundschaftliches und lockeres Verhältnis zu den Gästen, einige kenne ich seit Jahrzehnten und habe mit ihnen in der Kindheit im Schnee herumgetollt.»

Im Boutique-Hotel finden die Ankommenden keine handgeschriebenen Begrüssungskarten im Zimmer vor. «Nein», schmunzelt der Hausherr, «meine Frau und ich begrüssen alle Gäste persönlich.» Er beobachtet, dass sich Leute, die im Berufsalltag hohen Ansprüchen genügen, in dieser Ambiance nach zwei, drei Tagen entspannen, die Geborgenheit im Hotel sowie die Ruhe geniessen - etwa am flackernden Kaminfeuer in der Bar oder bei einem Buch im englischen Salon im ersten Stock, dessen Ausstattung sich seit 1865 kaum verändert hat.

Und wie sieht die Zukunft des Hotels Jungfrau aus?

«Wir stehen dank guter Wintersaisons vor Corona wirtschaftlich auf solidem Fundament und haben immer wieder investiert», bekräftigt Urs von Almen, der im Sommer im Tal die Sightseeing-Attraktion Trümmelbachfälle betreibt, während seine Frau Patricia sich um das Hotel und die Gäste kümmert.

Etwas skeptisch nimmt der Chef die Entwicklung im Jungfraugebiet in den vergangenen Jahren zur Kenntnis: «Wir sollten weniger auf Massentourismus setzen. Die Authentizität von Eiger, Mönch und Jungfrau vor der Haustür ist einzigartig, heute wie zu Beginn des Tourismus vor über 100 Jahren. Wir sollten dieser Landschaft mit grossem Respekt und Nachhaltigkeit begegnen.»