Polizeigewalt gegen AfroamerikanerEin Problem, das ohne Rassismus nicht zu erklären ist
In der Stadt Minneapolis stirbt ein Afroamerikaner nach einem Polizeieinsatz, in New York wird ein Schwarzer von einer weissen Frau diffamiert. Die Vorfälle lösen Empörung aus.
In den USA werden gerade zwei Aufnahmen millionenfach geteilt, die in zwei verschiedenen Städten aufgenommen wurden, eine in Minneapolis, eine in New York. Auf den ersten Blick haben sie nicht viel miteinander zu tun, doch im Kern beleuchten sie zweimal dasselbe Problem: die Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern, die ohne Rassismus kaum zu erklären ist.
Das Video aus Minneapolis zeigt den tödlichen Polizeieinsatz gegen den 46-jährigen Afroamerikaner George Floyd. Es wurde am Montagabend von einer Passantin mit dem Handy aufgenommen, und es ist schwer anzuschauen. Man sieht darin, wie ein weisser Polizist den Mann auf die Strasse drückt, indem er ihm sein Knie in das Genick presst. Floyd sagt einige Male «Ich kann nicht atmen» und schnappt nach Luft, er klagt über Schmerzen im Magen und im Hals. Er sagt auch: «Bitte tötet mich nicht.»
«Bitte tötet mich nicht»
Der Polizist und seine Kollegen, die daneben stehen, bleiben ungerührt, obwohl mehrere Passanten sie zunehmend panisch darauf hinweisen, dass der Mann keine Luft kriege und sich nicht wehre. Der Beamte drückt ihm das Knie selbst dann noch in den Hals, als einige Minuten später ein Sanitäter nach dem Puls des Mannes tastet. Als der Polizist endlich von ihm lässt, ist Floyds Körper schlaff und leblos, Sanitäter tragen ihn auf einer Bahre davon.
All dies wäre schockierend genug. Verstörend war aber auch die Reaktion der Polizei: Sie verschickte zunächst eine Mitteilung mit der lapidaren Überschrift: «Mann stirbt nach medizinischem Vorfall während Polizeieinsatz.» Die Beamten hätten den – notabene unbewaffneten – Mann wegen Verdachts auf ein Fälschungsdelikt verhaftet und dabei bemerkt, dass er sich in einer medizinischen Notlage befinde. Er sei im Spital gestorben. Über das brutale Vorgehen der Beamten gegen Floyd: kein Wort.
Es ändert sich nichts
Inzwischen wurden der Polizist und drei seiner Kollegen, die beim Einsatz zugegen waren, entlassen. Das sei die richtige Entscheidung, twitterte der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey. «Es sollte kein Todesurteil sein, in Amerika ein Schwarzer zu sein.» Das FBI hat eine Untersuchung gestartet.
Tausende Menschen versammelten sich am Dienstag in Minneapolis, um gegen die Tötung Floyds zu protestieren. Manche Demonstranten trugen Plakate, mit denen sie an frühere Opfer von Polizeigewalt erinnerten: Eric Garner, der 2014 im Würgegriff eines Polizisten in New York erstickte, oder Michael Brown, der im gleichen Jahr in der Stadt Ferguson erschossen wurde. Diese Vorfälle lösten damals eine heftige Debatte aus, die dazu führte, dass viele Polizeibehörden für ihre Beamten Körperkameras beschafften.
Geändert hat sich allerdings nicht viel: Zwischen 2013 und 2019 starben jährlich 1100 Menschen durch Polizeigewalt. Sehr viele dieser Opfer sind Schwarze. Nach einer Studie der Rutgers University gehört Polizeigewalt unter jungen afroamerikanischen Männern zu den häufigsten Todesursachen.
Die Drohung einer Weissen
Man muss davon ausgehen, dass all dies auch Amy Cooper bewusst war. Die 41-jährige weisse Frau ist im zweiten Video zu sehen, das grosse Empörung ausgelöst hat. Cooper wurde am Montag von einem schwarzen Vogelkundler im New Yorker Central Park gebeten, sich an die Parkregeln zu halten und ihren Hund anzuleinen. Der Vogelkundler filmte ihre Reaktion: Die Frau drohte, sie werde die Polizei anrufen und sagen, dass ein «afroamerikanischer Mann» ihr Leben bedrohe. Das tat sie dann auch, in offenbar gespielter Panik.
Der Einsatz der Polizisten blieb ohne Folgen. Doch viele Afroamerikaner erkennen sich in der Episode nur zu gut. Es gebe eine lange Vorgeschichte von weissen Frauen, die schwarze Männer fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigten und damit grosses Leid auslösten, sagte die Soziologin Katheryn Russell-Brown der «New York Times».
Im Fall von Amy Cooper fiel ihr Verhalten allerdings auf sie selbst zurück. Die Investmentfirma, bei der sie angestellt war, hat sie entlassen, nachdem das Video publik wurde: Man dulde keinen Rassismus.
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