Kommentar zur PrämiensenkungEin Prämienwunder dank gefüllter Kassen
Erstmals seit langem sinken die Krankenkassenprämien. Doch zu verdanken ist das nur den Reserven der Versicherungen. Das Parlament muss jetzt den Versicherten helfen.
Unsere Prämien für die Krankenkasse bewegen sich nach einer eigenartigen Physik. Jahrelang stiegen sie in Schlingerkurven nach oben. Und jetzt, mitten in der Pandemie, werden sie sinken. Kann nicht sein, denkt man sich. Trotzdem hatte Gesundheitsminister Alain Berset ebendiese «gute Nachricht», wie er selbst sie nannte, am Dienstag dem Land zu verkünden. Um 1,3 Prozent wird sich demnach die durchschnittliche Prämienlast im Jahr 2022 reduzieren.
Was hat das «Wunder» möglich gemacht? In erster Linie sind es die prall gefüllten Kassen der Kassen: Um 380 Millionen Franken verringern die Versicherer ihre Reserven. Und sie kalkulieren «knapp», wie es Bersets Fachleute formulierten. Die immer noch üppigen Rücklagen erlauben es den Kassen, die Prämien vergleichsweise tief anzusetzen. Die Versicherten profitieren auch davon, dass Bund und Kantone viele Corona-Folgekosten direkt übernehmen.
Über das Ergebnis der Prämienrunde darf man sich freuen. Doch gebe man sich keiner Täuschung hin: Die Gesundheitskosten nehmen weiterhin zu – über 3 Prozent pro Jahr betrug zuletzt das Wachstum pro Kopf, wie der Kassenverband Santésuisse vermeldete. Und irgendwann wird auch der Reservezauber ein Ende haben.
Das grösste Rätsel aber bleibt Corona. Wird das Virus einen verspäteten Kostenschub auslösen, weil viele Leute irgendwann ihre aufgeschobenen «Wahleingriffe» nachholen? Wie werden die Langzeitfolgen der Krankheit (Long Covid) zu Buche schlagen? Noch weiss selbst der Bundesrat nicht, womit wir rechnen müssen.
In jedem Fall sollte das zaudernde Parlament die Atempause dazu nutzen, Einsparungen durchzusetzen, beispielsweise bei den Preisen für Generika und Labortests. Derzeit wird in der Gesundheitspolitik viel Schaum geblasen, etwa von der Mitte-Partei mit ihrer Kostenbremse-Initiative. Doch nachhaltige Verbesserungen sind nur durch handfeste Massnahmen zu erreichen. Auch wenn sie manchen Lobbys wehtun werden.
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