Tiger WoodsEin Leben wie eine Achterbahnfahrt
Tiger Woods überschlägt sich bei einem schweren Unfall in Los Angeles mit seinem Auto. Es ist nicht der erste Rückschlag für den Golf-Superstar. Ein Überblick über die bewegte Laufbahn des 45-jährigen Kaliforniers.
Golf-Superstar Tiger Woods hat bei einem schweren Autounfall Verletzungen an den Beinen erlitten. Der 45-Jährige habe «sehr viel Glück» gehabt, den Unfall zu überleben, teilte die Polizei von Los Angeles am Dienstag mit. Sein SUV hatte sich südlich der kalifornischen Metropole auf einer stark abschüssigen Strecke mehrfach überschlagen.
Der 45-jährige US-Sportler wurde umgehend operiert. Woods habe «erhebliche orthopädische Verletzungen» an seinem rechten Unterschenkel und Knöchel erlitten, erklärte das Krankenhaus Harbor-UCLA. Er sei am Schienbein operiert worden, zudem seien ihm «Schrauben und Stifte» zur Stabilisierung seines Fusses und seines Knöchels eingesetzt worden. Woods sei «wach und ansprechbar» und erhole sich in seinem Krankenzimmer.
Die Karriere des Golf-Superstars ist voll von sportlichen Triumphen, privaten Tiefpunkten und zahlreichen Verletzungen.
TV-Auftritt mit zwei Jahren
Bereits im Alter von zwei Jahren wird die Welt auf Eldrick Woods aufmerksam. In der Mike Douglas Show verblüfft der junge Tiger die Zuschauer: Ausgestattet mit einer Golftasche, die ihn nahezu überragt, marschiert er an der Seite seines Vaters Earl zum Talkmaster Douglas, der auf ihn aufmerksam wurde bei einen TV-Beitrag über Kleinkinder auf einer Driving Range in Los Angeles.
«So etwas habe ich noch nie gesehen. Tiger stach heraus»
Nicht nur ist die Genauigkeit seiner Putts erstaunlich, sondern auch dies: Nachdem er zwei Putts nur Zentimeter am Loch vorbeigesetzt hat, nimmt er sich einen Becher, platziert den Ball darauf und hämmert ihn mit einem satten Abschlag weg. Zur Überraschung und Erheiterung der anwesenden Gäste. Douglas bekannte Jahre später: «So etwas habe ich noch nie gesehen. Tiger stach heraus, weil alle in seinem Alter schwangen wie Babys, nur er schwang, wie er es heute tut.»
Das Phänomen Tiger ist geboren. Die amerikanischen Fernsehanstalten reissen sich um das Wunderkind, und Vater Earl tingelt nur zu gerne mit seinem Sohn durch die Sendungen. Gestreng dem Motto: Alles für den Erfolg.
«Er ist der Auserwählte»
Mit Argusaugen, Drill und eiserner Disziplin fördert Earl Woods den jungen Tiger. Die ersten Erfolge stellen sich dann auch ein: jüngster Sieger der Junior World Golf Championships (1984), jüngster US-Junior-Amateur-Champion (1991) und jüngster US-Amateursieger bei den Männern (1994). Seine Dominanz lässt seinen Vater von Grossem träumen.
Noch bevor sein Sohn den ersten Schwung auf der Profitour leistet, verkündet Earl Woods: «Er ist die Brücke zwischen dem Osten und dem Westen, ich weiss noch nicht genau, welche Form das annehmen wird. Aber er ist der Auserwählte. Er wird die Macht haben, Nationen zu beeinflussen. Nicht Menschen. Nationen. Die Welt bekommt gerade einen Vorgeschmack auf seine Macht.»
Erster Major-Titel
Bei seinem ersten Profiturnier im August 1996, dem Greater Milwaukee Open, gelingt ihm gleich ein Hole-in-one. Dass er das Turnier bloss auf dem 60. Rang beendet, kann dem Hype um ihn keinen Abbruch tun. Der junge Tiger Woods tritt vor die Mikrofone und sagt mit einem breiten Grinsen: «Hello, world.»
Und wie die Welt von ihm noch Kenntnis nehmen sollte. Millionenschwere Sponsoringverträge, dass er das Cover der «Sports Illustrated» von 1996 ziert, und die ersten PGA-Toursiege lassen das ungeheure Potenzial des zukünftigen Superstars erahnen.
«Es war die leichteste 65, die ich je gesehen habe. Das ist Golf, wie es vorher noch keiner gesehen hat.»
Doch wirklich bewusst wird es den Menschen im April 1997. Augusta National Golf Club. Augusta, Georgia. Tiger legt einen desaströsen Start hin: «Ich hatte das Gefühl, dass alle Augen auf mich gerichtet waren und viele dachten, das Turnier sei für mich bereits vorbei.» Doch am zweiten Tag zerlegt Woods einen der schwierigsten Plätze der Welt in seine Einzelteile und spielt eine famose 66er-Runde, übernimmt die Führung im Klassement und beeindruckt die Konkurrenz.
Colin Montgomerie schwärmt, nachdem Tiger am nächsten Tag seine legendäre 65er-Runde gezeigt hat: «Es war die leichteste 65, die ich je gesehen habe. Das ist Golf, wie es vorher noch keiner gesehen hat. Es gibt keine Chance, dass Tiger dieses Turnier noch verliert.» Der Schotte behält recht. Tiger Woods wird nicht nur der jüngste Masters-Sieger der Geschichte, sondern auch der erste afroamerikanische.
Der Siegeszug
Tiger Woods wird fortan nur noch mit Superlativen eingedeckt. Seit dem 15. August 1999 hat er zudem die Weltranglistenposition 1 zum siebten Mal inne – und behält sie für 264 Wochen. Ununterbrochen. Sein Glanzstück folgt 2001: der Tiger Slam. Ort: wieder Augusta. Der Vorsitzende des Golfclubs Hootie Johnson beschreibt es als «grösste golferische Leistung, die unsere Zeit erlebt hat».
Was ist geschehen? Mit gerade einmal 25 Jahren hat Woods seinen zweiten Masters-Titel und sein sechstes Major insgesamt gewonnen. Die ersten drei von Woods' Major-Titeln kommen im Jahr 2000 zustande: Das US Open, das British Open und die PGA Championship. Das Masters folgt im Jahr darauf. Als ihm der Vorjahressieger Vijay Singh das Grüne Jackett überreicht, ist Woods der erste Spieler in der Geschichte, der alle vier Majors zur gleichen Zeit innehat. «Tiger Slam» ist geboren. Singh sagt dazu: «Ich glaube nicht, dass es richtig für mich wäre, zu kommentieren, wie bedeutend das ist, aber ich bin sicher, dass es als einer der wichtigsten Momente in unserem Sport in die Geschichte eingehen wird.»
«Vier Majors in Folge zu gewinnen – wenn man sich meine Karriere ansieht, glaube ich nicht, dass ich jemals etwas so Grossartiges erreicht habe», sagt Woods selbst. Und meint, auf seine tränenreiche Reaktion nach dem Sieg angesprochen: «Ich hatte keine Schläge mehr zu spielen. Das wars. Es war geschafft. Es war so ein komisches Gefühl. Dann fing ich an zu denken, dass ich gerade das Masters gewonnen hatte …» Die Emotionen übermannen ihn erneut.
2008 ist Woods bei 13 Major-Titeln angekommen, den Rekord hält weiterhin Jack Nicklaus (18). Diverse Verletzungen, die Abkehr und das Zerwürfnis mit Schwungcoach Butch Harmon und die nachfolgende Umstellung in der Schwungbewegung lassen Woods nicht mehr als die unnachahmliche Lichtgestalt erscheinen. Am US Open strahlt er jedoch noch einmal. Zum letzten Mal für eine lange Zeit.
Wäre es nach den Ärzten gegangen, wäre es jedoch gar nie dazu gekommen. Sie raten Woods, sich zu schonen, da er sich bei einer frühzeitigen Rückkehr sein operiertes Knie erneut verletzen könnte. Woods will nichts davon hören und antwortet: «Ich werde das Turnier nicht nur spielen, sondern auch gewinnen.»
Woods' Trainer Hank Haney erzählt, dass sein Schützling nicht in der Lage war, mehr als ein paar Bälle auf einmal zu schlagen und nur zwei Neun-Loch-Übungsrunden im Gehen spielt. Die erste Runde am US Open ist das erste Mal seit dem Masters zwei Monate zuvor, dass er 18 Löcher ohne Golfkart spielt. «The rest is history», wie die Amerikaner sagen. Woods am 18. Loch mit einem wunderbaren Annäherungsschlag, der Putt fällt. Von da an weiss jeder der Zuschauer und wohl auch Gegner Rocco Mediate, dass es nur noch einen Sieger beim entscheidenden Playoff geben kann: Tiger Woods.
Der «Tigergate»-Skandal
Im November 2009 fährt Tiger Woods direkt vor seinem Haus in Florida gegen einen Baum und einen Hydranten. Der damals 34-Jährige erleidet Schnittwunden im Gesicht und ist für kurze Zeit bewusstlos. Seine damalige Ehefrau Elin Nordegren scheint Woods zunächst noch gerettet zu haben, indem sie mit einem Golfschläger die Heckscheibe des Cadillacs einschlug. Doch bei der Aufarbeitung des Vorfalls stellt sich heraus, dass der Autounfall merklich anders verlief.
Es ist der Start zu dem, was die Medien später «Tigergate» nennen. Woods soll von einem Ehestreit weggefahren sein – ihm wird eine Affäre nachgesagt. Bald schon ist die Rede von mehreren. In einer öffentlichen Entschuldigung im Februar 2010 gibt Woods zu: «Ich war untreu. Ich hatte Affären. Ich bin fremdgegangen.» Im gleichen Jahr reicht Nordegren die Scheidung ein.
Über die Scheidungssumme wird in US-Medien viel spekuliert. Von wahnwitzigen Beträgen von bis zu 750 Millionen Dollar ist die Rede. Gemäss dem «Forbes»-Magazin liegt für das ehemalige Fotomodell jedoch lediglich ein Betrag um die 100 Millionen Dollar drin.
Denn Woods erleidet durch den ausgelösten Skandal auch finanziellen Schaden. Werbepartner wie Gillette oder TAG Heuer beenden die Zusammenarbeit mit dem Golfprofi. Dazu kommt, dass zu dieser Zeit Anthony Galea, ein Arzt, der Woods behandelt hat, in die Schlagzeilen kommt: Gegen ihn wird ermittelt wegen Weitergabe von Dopingmitteln. Es wird nie etwas bewiesen, doch es ist ein weiteres Element im Skandal, der am Anfang des Niedergangs der einstigen Golf-Ikone steht.
Woods legt eine mehrmonatige Pause ein, begibt sich wegen Sexsucht in Behandlung. Erst im April 2010 kehrt er auf den Golfplatz zurück. Doch der Skandal hat sein Image arg beeinträchtigt.
Vier Rückenoperationen in drei Jahren
Beschwerden an der Achillessehne, Halswirbelsäule, im Rücken, am Handgelenk, Diskektomie an der Lendenwirbelsäule, Muskelzucken: Woods leidet seit Jahren an Rückenproblemen, die ihn immer wieder zurückwerfen. Die Krankenakte wird immer länger. 2014 lässt er sich wegen eines Bandscheibenvorfalls zum ersten Mal operieren. In den darauffolgenden Jahren wird er viermal am Rücken operiert – das letzte Mal im April 2017.
Wegen der Schmerzen in Rücken und Beinen muss Woods zahlreiche Turnier auslassen – die sportliche Zukunft ist lange Zeit ungewiss. Erst nach seiner vierten Operation meldet sich Woods aus dem Spital mit optimistischen Worten zurück.
Verhaftung wegen Drogenmissbrauchs
Am 29. Mai 2017 wird der 41-jährige Tiger Woods nachts um 3 Uhr in Palm Beach in Florida schlafend in seinem mit laufendem Motor am Strassenrand stehenden Mercedes von der Polizei aufgefunden. Die Beamten beschreiben ihn als «langsam, träge und lallend». Auf dem von der sogenannten Dashboard-Kamera des Streifenwagens aufgenommenen Video wirkt Woods desorientiert und unkonzentriert. Er wird wegen Verdachts auf Alkohol oder Drogen im Verkehr festgenommen.
Woods selbst führt seinen Zustand auf die Wirkung von Medikamenten zurück, die ihm verschrieben worden seien. In einem von den US-Medien veröffentlichten Statement bestreitet er Alkoholmissbrauch und führt aus, Arzneimittel hätten bei ihm eine «unerwartete Reaktion» ausgelöst. Ein Alkoholtest der Polizei fällt negativ aus.
Im darauffolgenden Juni unterzieht sich der Golfprofi einem «intensiven Programm», um mit seinen Schmerzen und der Schlaflosigkeit besser umgehen zu können.
Erster Major-Titel nach elf Jahren
Elf Jahre seit dem letzten Major-Titel, zahlreiche Verletzungen und noch mehr Schlagzeilen mussten vergehen, ehe Tiger Woods 2019 in Augusta, das liebevoll auch sein Wohnzimmer genannt wird, triumphieren darf. Als unterdessen 43-Jähriger gewinnt er zum fünften Mal in Augusta, es ist sein 15. Major-Titel. Dass er dabei auch von der Schwäche des nach drei Runden führenden Francesco Molinari profitiert, ist nur ein kleiner Makel.
Neben Nicklaus ist Woods nun der einzige Spieler, dem es gelingt, in drei Jahrzehnten einen Major-Titel zu gewinnen. Mit seinem Sieg bei der Zozo Championship im Oktober 2019 in Japan holt er seinen 82. Erfolg auf der PGA-Tour und stellt damit den Rekord von Sam Snead ein.
Dokumentation über sein Leben
Im Januar 2021 wurde auf HBO Max der erste Teil einer zweiteiligen Dokumentation «Tiger» veröffentlicht, die das turbulente Leben des Golf-Stars beleuchtet. Schon jetzt ist sie nach Angaben des Senders der meistgesehene Sportdokumentarfilm von HBO seit fast drei Jahren.
Die Dokumentation basiert auf dem Buch «Tiger Woods». Eine Reihe von Golfern, ehemaligen Caddies und Freunden von Woods waren nach Angaben des Senders an der Produktion beteiligt. Daneben kommen auch Woods’ High-School-Freundin Dina Parr und Rachel Uchitel zu Wort, die mit Woods 2009 eine Affäre hatte.
Woods selbst lehnte es ab, an der Dokumentation mitzuarbeiten. Über seinen Sprecher liess er verlauten: «Genau wie das Buch, auf dem es basiert, ist der Film nur ein weiterer nicht autorisierter und brutaler Versuch eines Aussenstehenden, ein unvollständiges Porträt eines der grössten Athleten aller Zeiten zu zeichnen.»
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