AboInterview mit Kunststar Anselm Kiefer «Ein Künstler stellt nur dar, was er in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat»
Anselm Kiefer ist einer der kontroversesten Künstler der Gegenwart. Im Interview spricht er über seinen Hang zum Monumentalen, und vergleicht die Cancel-Culture mit der mittelalterlichen Hexenverbrennung.
Der Hollywood-Schauspieler Sylvester Stallone klagte 2010 in einem Interview, ein von ihm erworbenes Kiefer-Bild löse sich auf: «Ich habe dafür 1.7 Millionen Dollar bezahlt! Es war Stroh drauf. Kiefer hat das Stroh mit Klebstoff befestigt. Zu Hause denke ich: Scheisse, was liegt da unterm Bild? Stroh. Jeden Tag ein neuer Halm. Ich rufe den Händler an und sage: ‹Der Kiefer haart.› Sagt der Händler: ‹Mister Stallone, das muss so sein, das Bild geht durch eine Entwicklung, das Bild lebt.› Ich dachte, ich werd verrückt. 1.7 Millionen Dollar! Ich hab die Halme wieder drangeklebt. Jeden Tag lag ein Halm unten, ich hin, Klebstoff, Halm wieder dran. Ich habs nicht eingesehen.» Was hätten Sie Stallone geraten?
Dass er das Stroh wieder drankleben soll. Aber ehrlich gesagt, ist das nicht wichtig. Da ist bestimmt genügend Stroh drauf. Da kann ruhig ein bisschen was runterfallen. Wenn er die Halme nicht selbst wieder ankleben will, soll er das Bild zu mir zurückschicken. Dann mache ich es. Ich hatte in den Achtzigerjahren in den USA eine Ausstellung, die durch vier Museen ging. Da war immer ein Konservator dabei. Zum Schluss gab er mir eine grosse Zigarrenkiste mit allen Teilen, die er vom Boden aufgelesen hatte. Fand ich wunderbar.