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Meinung

Analyse zur britischen Staatstrauer
Ein Königreich steht still – ist das angemessen? 

Ein Ereignis grösstmöglicher Tragweite: Das Königreich trauert um Queen Elizabeth II – mitunter auf sehr besondere Weise.
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Wenn die Queen stirbt, stirbt dann auch das Wetter? Das ist eine Frage, die sich tatsächlich gerade manche Briten stellen, wenn auch so leise und respektvoll wie möglich, denn es ist eine zynische Frage.

Ausgelöst hat die Frage das Meteorological Office, der britische Wetterdienst, mit der Ankündigung, aus Respekt vor der Queen während der zehntägigen Staatstrauer nur noch Wettervorhersagen für den kommenden Tag zu veröffentlichen, nicht darüber hinaus. Das Verständnis dafür hält sich in Grenzen. 

Petitionen können keine mehr gestartet werden 

Der Tod der Königin ist ein Ereignis grösstmöglicher Tragweite für das Vereinigte Königreich, ihre Bedeutung ging trotz wachsender Monarchie-Skepsis weit über ihre formale Funktion als Staatsoberhaupt hinaus. Nicht darauf zu reagieren geht nicht, darin sind sich alle Verbände, Institutionen und Organisationen einig, zumal die Queen überaus beliebt war. Nur, was ist angemessen, was ist zumutbar? Und was ist vielleicht zu viel?

Palast und Regierung haben mitgeteilt, nichts müsse zwangsläufig abgesagt werden. Es obliege jedem selbst, zu entscheiden, was eine angemessene Reaktion auf den Tod der Queen ist. Es wäre seltsam gewesen, ja despektierlich, wäre das öffentliche Leben unverändert im Sekundenstakkato des 21. Jahrhunderts weitergegangen, zumindest einen Moment des Innehaltens und der ehrerbietenden Stille muss es geben in so einer Situation. Die Frage aber, wie lange dieser Moment sein soll, ist durchaus diskussionswürdig, gerade nach mehr als zwei Jahren Pandemie.

Die Premier League hat alle ihre Spiele abgesagt, die Queen war Patronin des Fussballverbandes, der neue Thronfolger William ist dessen Präsident. Diverse Konzerte und Feste wurden gestrichen, auch sämtliche Kinder- und Jugendfussballspiele am Wochenende.

Noch schwerer wiegt die Entscheidung der Regierung, die offizielle Website für Petitionen vorübergehend zu schliessen. Petitionen können dort gestartet und signiert werden, sie müssen im Parlament debattiert werden, wenn sie 100’000 Unterschriften erreichen – in einer begrenzten Zeit.

Auch das Parlament leistet Trauerarbeit

Auch das Parlament strich, wie es das Protokoll verlangt, sämtliche Debatten, stattdessen kamen beide Kammern zu mehrstündigen Gedenksitzungen zusammen. Noch am Tag, an dem die Queen starb, hatte die neue Premierministerin Liz Truss ein 150-Milliarden-Pfund-Paket angekündigt, das Fragen aufwarf, die dringend besprochen werden müssten. Aber die Regierung unterstützt den Palast in der Durchführung der Trauerfeierlichkeiten.

Erst am 21. September wird das Unterhaus den Betrieb wieder aufnehmen. Für zwei Tage, denn dann beginnt die reguläre Unterbrechung für die Parteitage, die bis 16. Oktober dauert. Fünf Wochen, in denen sich die Abgeordneten mit der Trauer um die Queen oder mit sich selbst beschäftigen, mitten in einer der schlimmsten Krisen der vergangenen Jahrzehnte, direkt nach einem Regierungswechsel?

Die Balance zu finden zwischen Respekt, Trauersymbolik und den weiter bestehenden Herausforderungen des Alltags, das ist gewiss nicht einfach. Gerade in der Trauer ist die Frage, welche Verhältnismässigkeit man für angemessen hält, eine individuelle. Umso mehr aber bräuchten die Briten nun eine starke Führung, im Palast wie in Downing Street, die sich traut, neue Antworten zu suchen. Vielleicht sogar andere als jene, die seit Jahrhunderten im Protokoll vermerkt sind.