Alexei Nawalny in BerlinEin Kampf um Leben und Wahrheit
Der Berliner Universitäts-Klinik Charité steht eine grosse Aufgabe bevor. Sie muss den bekanntesten russischen Oppositionellen vor dem Tod bewahren – und die Frage klären, ob bei der Erkrankung Gift im Spiel war.
Der Tweet ist kurz und er gleicht einem Stossseufzer. «Das Flugzeug mit Alexej ist gerade in Berlin gelandet», vermeldet Kira Jarmysch, die Sprecherin von Alexei Nawalny, am Samstagmorgen.
Der Zusammenbruch des russischen Oppositionellen liegt zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 48 Stunden zurück. Womöglich entscheidende Zeit ist verloren gegangen, weil die Ärzte im sibirischen Omsk den im Koma liegenden Patienten ursprünglich nicht hatten ziehen lassen wollen. Er sei nicht transportfähig, behaupteten sie.
Erst am Freitagabend kam der Sinneswandel. Nawalny könne wie von seinen Angehörigen gewünscht, zur Behandlung nach Berlin gebracht werden. Noch in der Nacht startet das von der privaten Initiative «Cinema for Peace» gecharterte Rettungsflugzeug. An Bord ist auch Nawalnys Frau Julia.
Anders als ursprünglich angekündigt, landet die Maschine nicht in Schönefeld, sondern um 8.46 Uhr in Tegel. Mehr als eine Stunde vergeht, bis sich eine Polizeikolonne mit einem Intensivtransporter der Bundeswehr vom militärischen Teil des Flughafens in Bewegung setzt nach Berlin Mitte.
Stabiler Zustand
Nawalnys Frau geht davon aus, dass ihr Mann Opfer eines Giftanschlages geworden ist. Völlig unklar aber scheint zu diesem Zeitpunkt noch sein, um welche Art von Gift es sich handeln könnte.
«Unsere humanitäre Mission ist erfüllt», erklärt «Cinema für Peace» nach der Landung. Nawalnys Zustand sei stabil – und sei das auch während des Fluges die ganze Zeit über gewesen. Für seine Sprecherin Jarmysch ist das ein weiterer Hinweis, dass die Verlegung nach Berlin ohne medizinischen Grund herausgezögert worden ist. «Ich hoffe, dass diese für nichts und wieder nichts vergeudete Zeit Alexei nicht das Leben kosten wird», meldet sich der russische Oppositionelle Ilja Jaschin zu Wort.
Die Charité bestätigt via Twitter zunächst nur, «Alexei Anatoljewitsch Nawalny zur ärztlichen Behandlung aufgenommen zu haben». Es erfolge nun «eine umfangreiche medizinische Diagnostik». Nach Abschluss der Untersuchungen und nach Rücksprache mit der Familie werde man die Öffentlichkeit unterrichten.
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Was nun beginnt, ist ein Kampf um das Leben des Kreml-Kritikers, aber auch um die Wahrheit. Die Ärzte in Omsk hatten angeblich keine Vergiftung feststellen können und von einer Stoffwechselerkrankung gesprochen.
Nur eine Tasse Tee getrunken
Zusammengebrochen war Nawalny während eines Fluges vom sibirischen Tomsk nach Moskau. Zunächst hatte er über Unwohlsein geklagt und dann das Bewusstsein verloren. Davor soll er nur eine Tasse Tee zu sich genommen.
Die Maschine landete in Omsk, wo Nawalny ins Krankenhaus gebracht wurde. Der 44 Jahre alte Anti-Korruption-Kämpfer ist der wohl populärste Oppositionelle Russlands und ein Mann, auf dessen Gesundheit es auch in der Vergangenheit schon Anschläge gegeben hat (lesen Sie dazu auch: Warum Nawalny für die Mächtigen so gefährlich ist). Oberstes Ziel seiner Frau Julia war es daher, ihren Mann so schnell wie möglich zur Behandlung in den sicheren Westen zu bringen.
Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer bei einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angeboten hatte, Nawalny «in deutschen Krankenhäusern alle gesundheitliche Hilfe» zuteilwerden zu lassen, nahmen Mitstreiter des Oppositionellen Kontakt mit dem Kanzleramt auf.
Kontaktiert wurde auch der Gründer von «Cinema für Peace», der Filmproduzent Jaka Bizilj. Er hatte vor zwei Jahren zwei Jahren schon Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, nach einer Vergiftung zur Behandlung in der Charité nach Berlin geholt.
Auch diesmal organisiert Bizilj einen Rettungsflieger, der von Nürnberg aus nach Omsk startet. Er habe der Crew «Anweisung gegeben, dass sie nicht ohne Nawalny zurückkehren», berichtet Bizilj am Samstag vor dem Eingang der Charité einer grösseren Ansammlung von Journalisten – was sich vor Ort allerdings als schwierig herausgestellt habe.
Er sei froh, dass es schliesslich doch gelungen sei, den deutschen Ärzten Zugang zu Nawalny zu verschaffen und nach Stunden der Verzögerung auch die Erlaubnis zu bekommen, Nawalny nach Berlin zu transportieren. «Der grosse Erfolg war nicht, dass wir ihn ausgeflogen haben», sagt Bizilj. «Der grosse Erfolg wird jetzt bei den Ärzten liegen müssen.»
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