Timeout mit Joel GirrbachEin Golfprofi auf Abwegen
Statt Birdies zu spielen, lernt der Thurgauer in der Fabrik seines Vaters, wie Verpackungen für Desinfektionsmittel produziert werden.
«Sportlich gesehen ist das ein verlorenes Jahr. Dafür habe ich Zeit, in andere Dinge reinzuschauen.» Joel Girrbach sitzt auf der Terrasse des GC Lipperswil und trinkt eine Apfelschorle. Er hatte geplant, nach der enttäuschenden Saison 2019 dieses Jahr nochmals Vollgas zu geben und Ende Jahr abzurechnen. «Das wird nun halt zwangshalber um ein Jahr verschoben», sagt der 26-jährige Thurgauer.
Die Alternative wäre, ins Geschäft seines inzwischen 68-jährigen Vaters Gerald einzusteigen, das in Kreuzlingen Verpackungen herstellt. «Die Frage ist, ob ich das kann», sagt der gelernte Versicherungskaufmann. «Es wäre eine grosse Belastung und Verantwortung, mit 93 Angestellten und ihren Familien.»
Auch weil wegen der Corona-Krise momentan Desinfektionsmittel derart gefragt sind, gibt es gerade jetzt dort viel zu tun. An vielen Sonntagmorgen sei er selber an der Maschine gestanden, die solche Fläschchen produziert. Als Schnupperstift, sozusagen, und um die Belegschaft zu entlasten. «Ich nutze die Gelegenheit und versuche, möglichst viel zu sehen von der Firma», sagt der Sieger der Swiss Challenge 2017.
«Eine Golfkarriere bleibt mein Plan A, das Geschäft des Vaters Plan B.»
Seine Nähe zur Geschäftswelt hilft Joel Girrbach auch durch die Zwangspause. Schon zu Beginn seiner Golfkarriere hatte er eine AG gegründet (GJJ Albatros), um das Finanzielle darüber abzuwickeln – Sponsoren, Sozialleistungen usw. Dies erlaubte ihm nun, Kurzarbeit zu beantragen, wodurch er in der turnierfreien Zeit monatlich einen Teil des Lohnausfalls erhält. Von Swiss Golf bekam er wie alle Spieler des Profi-Kaders zudem 5000 Franken Soforthilfe.
Auf der anderen Seite hat sich Girrbach dazu entschieden, die Sponsoren-Einnahmen für die wettkampflose Zeit nicht zu beanspruchen und seinen Partnern diese Zeit 2021 gutzuschreiben. «Ich finde das fair, denn ich hatte in dieser Zeit ja auch keine Reisekosten.» Als die Corona-Krise ausbrach, befand er sich in Südafrika im Trainingslager, konnte aber noch rechtzeitig in die Schweiz fliegen.
«Eine Golfkarriere bleibt mein Plan A, das Geschäft des Vaters Plan B», hält Girrbach fest. Er vermisst die Wettkämpfe vor Zuschauern. Daran ändern auch die Plauschrunden nichts, auf denen er mit einigen seiner Profikollegen wie Benjamin Rusch, Luca Galliano oder Mathias Eggenberger auch mal um ein paar Franken zockt. Trotz der zunehmenden Lockerungen glaubt er nicht, dass er dieses Jahr noch viele internationale Turniere spielen kann. Von den europäischen Tour-Verantwortlichen kam bereits die Meldung, dass die Spieler dieses Jahr in der Hierarchie weder auf- noch absteigen können.
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