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Analyse zum Anbau von Gentechpflanzen
Ein erster Schritt aus der Endlosschlaufe

Züchtungsverfahren wie die Genom-Editierung sind künftig vom Moratorium ausgenommen: Petrischale mit Weizenähre.
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Die Überraschung ist perfekt. Der Ständerat lockert das Moratorium für den Anbau von Gentechpflanzen in der Landwirtschaft. Zwar hat er es um weitere vier Jahre bis 2025 verlängert – allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme. Ausgeklammert bleiben gentechnisch veränderte Organismen, denen kein transgenes, also artfremdes Erbmaterial eingefügt wurde.

Vom Moratorium ausgenommen sind somit neue Züchtungsverfahren wie die Genom-Editierung. Damit können Forscher bestimmte Gene im Erbgut der Pflanze aus- oder einschalten, viel gezielter als bei herkömmlichen Verfahren mit Bestrahlung und Chemie.

Der Entscheid ist nicht zuletzt ein Signal an den hiesigen Forschungsplatz, der nach dem faktischen Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe mit Problemen zu kämpfen hat. Für Biotechunternehmen und Wissenschaftler wird die Schweiz attraktiver, wenn sie hier nicht nur wie bisher im Labor und im Freiland Versuche durchführen können, sondern ihre Produkte auch auf den inländischen Markt bringen dürfen.

Knapper Entscheid im Ständerat

Nicht zufällig haben sich diesen Herbst rund 70 Forscher verschiedener Schweizer Hochschulen und Universitäten gegen eine Verlängerung des Moratoriums ausgesprochen. Gentechnisch veränderte Pflanzen seien grundsätzlich nicht mit höheren Risiken behaftet als konventionell gezüchtete Kulturpflanzen, so die Botschaft. Dieser wissenschaftliche Konsens sei breit abgestützt, die Politik müsse sich danach ausrichten. Der Ständerat hat dies nun getan, allerdings denkbar knapp. Es brauchte den Stichentscheid von Ratspräsident Thomas Hefti (FDP).

Dass sich aber überhaupt eine Mehrheit dafür ausgesprochen hat, grenzt an ein kleines Wunder. Das Moratorium geht auf einen Volksentscheid 2005 zurück. Das Parlament hat es seither dreimal verlängert, Endlosschlaufe statt Fortschritt. Die Argumente sind immer dieselben: Man wisse zu wenig über Gentechnik und ihre Risiken. Zum Beispiel über die Koexistenzfrage, also ob sich gentechnisch veränderte Pflanzen auf Schweizer Feldern mit konventionell oder ökologisch erzeugten vermischen werden. Wären diese Politiker tatsächlich an einer Antwort interessiert, hätten sie die letzten Jahre nicht ungenutzt verstreichen lassen. Doch das Parlament lehnte es ab, die rechtlichen Grundsätze für eine Koexistenzregelung schaffen.

Das Beispiel ist entlarvend. Wenig glaubwürdig wirkt deshalb, wenn dieselben Akteure nun vom Bundesrat einen Bericht über die Möglichkeiten neuer Züchtungsverfahren verlangen: neues Papier, alte Diskussionen. Doch am Ende könnte es just bei diesem Auftrag bleiben – wegen des Nationalrats. Im Herbst hat die Grosse Kammer eine Lockerung des Moratoriums wuchtig verworfen.

Bizarre Grüne

Dabei würden selbst mit einer Lockerung noch Jahre vergehen, bis erste genomeditierte Pflanzen kommerziell angebaut würden. Die Bewilligungsverfahren sind streng, die Gesuchsteller müssen darlegen, dass ihre Produkte kein Risiko darstellen.

Insofern würde eine Lockerung in der Praxis vorerst folgenlos bleiben. Aber sie würde den nötigen Druck erzeugen, um endlich einen Schritt weiterzukommen. Nicht mehr die Risiken, sondern die Chancen der Gentechnik sollen im Fokus stehen – wie dies bei den Anwendungen in der Medizin schon der Fall ist. Die Gesellschaft fordert mehr Klimaschutz und eine nachhaltigere Landwirtschaft. Es braucht daher Pflanzen, die resistenter gegenüber Krankheiten und Wetterextremen sind und zugleich weniger Pestizideinsatz benötigen.

Dass sich ausgerechnet grüne Kreise so heftig gegen Lockerungen wehren, mutet bizarr an. Und es gibt eine Parallele: Es sind – zumindest zum Teil – dieselben Stimmen, die am schrillsten vor dem Klimawandel warnen, gleichzeitig aber Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien mit Einsprachen blockieren.

Wohltuend pragmatisch wirkt dagegen der jüngst gegründete Verein «Sorten für morgen», eine mächtige Allianz, welche die ganze Lebensmittelkette abdeckt. Mit dabei sind unter anderen die Detailhändler Coop und Migros, aber auch Bauernorganisationen. Der Verein wähnt die Politik in einer Sackgasse und möchte der neuen Gentechnik eine Chance geben. Der Nationalrat sollte auf diese neue Stimme hören. In der Frühlingssession bietet sich ihm die Gelegenheit dazu.