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Klage gegen Ankläger
Ein Endlosdrama für die FDP

Die Genfer Justiz ging mit dem FDP-Politiker Simon Brandt wenig zimperlich um. Nun hat der 35-Jährige eine Strafanzeige eingereicht, «um die Gerechtigkeit wiederherzustellen», wie er sagt.
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Politiker haben wenig Freunde. Und noch weniger in der eigenen Partei. Diese Erfahrung macht der Genfer FDP-Politiker Simon Brandt seit Monaten. Nun hat er eine Strafklage eingereicht, die mitunter auf seinen eigenen Parteifreund abzielt: Generalstaatsanwalt Olivier Jornot.

Ihr Zerwürfnis begann im Dezember 2019. Brandt sass im Kantonsrat und kandidierte für die FDP für einen Sitz im Genfer Stadtrat. Eines Morgens liess ihn Parteikollege Olivier Jornot verhaften. Dank Indiskretionen berichteten die Lokalmedien laufend über Einvernahmen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Jornot, vom Volk als FDP-Vertreter an die Spitze der Strafjustiz gewählt, warf Brandt vor, illegal auf die Datenbank der Kantonspolizei zugegriffen und einem anderen FDP-Politiker Amtsgeheimnisse verraten zu haben.

Haftbefehl soll «gesetzeswidrig» sein

Der andere FDP-Politiker war Staatsrat Pierre Maudet. Brandt war sein enger Vertrauter und hatte als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Maudets Departement gearbeitet, bevor er in einer ähnlichen Funktion in den Führungsstab der Kantonspolizei Genf wechselte. Jornot rechnete wohl damit, dass Brandt in Polizeigewahrsam gegen Maudet auspacken würde. Gegen Maudet führt Jornot seit 2018 ein Strafverfahren wegen Vorteilsannahme, weil Maudet sich 2016 auf eine Luxusreise nach Abu Dhabi einladen liess.

Doch Brandt lieferte wenig Substanzielles. Anfang Jahr gab Jornot bekannt, er habe den Grossteil der Anschuldigungen gegen Brandt fallen lassen. Doch für den 35-Jährigen hatte die Affäre Konsequenzen.

Als Stabsmitarbeiter der Polizei wurde er für die Dauer der Strafuntersuchung suspendiert. Am 5. April 2020 verpasste er die Wahl in die Stadtregierung im zweiten Wahlgang, nachdem er im ersten Wahlgang noch am fünftmeisten Stimmen bekommen hatte. Noch während des Wahlkampfs reichte Brandt bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige ein. Darin bezeichnete er Olivier Jornots Haftbefehl als «gesetzeswidrig» und warf er einem Polizisten Machtmissbrauch, falsche Anschuldigungen und Amtsgeheimnisverletzung vor.

Er musste sich nackt ausziehen

Brandt betont: «Ich will nur eines: die Gerechtigkeit wiederherstellen.» Als die Polizei ihn verhaftete, sei er auf dem Weg zu einer Kantonsratssitzung gewesen. Ein Polizist habe ihn in eine Zelle gebracht und ihm befohlen, sich nackt auszuziehen. Auch habe man ihm zeitweise Handschellen angelegt und damit gedroht, er müsse die nachfolgende Nacht in einer Gefängniszelle verbringen. Als er bei der Durchsuchung seines Zimmers in der Wohnung seiner Mutter auf die Toilette gegangen sei, habe ein Polizist die Toilettentür offen gehalten, so Brandt. Er könnte in der Toilette eine Waffe versteckt haben, begründete der Beamte die Massnahme. Auch die Wohnung seiner Freundin wurde durchsucht. Schliesslich hätten Polizisten im Polizeihauptquartier seinen Computer untersucht und festgestellt, dass er nie in ihrer Datenbank gewühlt habe, so Brandt. «Das hätten sie schon vor der Verhaftung bemerken können», betont er. Es folgten mehrere Einvernahmen durch Jornot. «Die meisten Fragen zielten auf Pierre Maudet ab», sagt Brandt.

Die Strafklage bringt die Genfer Justiz in eine komplizierte Lage. Der Kanton Genf hat kein Gesetz, das die Staatsanwaltschaft zwingt, einen Staatsanwalt von ausserhalb des Kantons einzusetzen. Stéphane Grodecki, Erster Staatsanwalt, hat ein Verfahren eröffnet, in dem er auch die Rolle seines Vorgesetzten Jornot ausleuchten muss. «Die Staatsanwaltschaft muss sich jetzt äussern, ob sie sich als parteiisch anschaut oder nicht», sagt Brandts Anwalt Marc Lironi. Justizsprecherin Virginie Castelli betont: «Die Beschwerde richtet sich nicht gegen den Generalstaatsanwalt.» Brandt habe im Verfahren auch nie Jornots Absetzung verlangt. Man habe die Beschwerde zur weiteren Untersuchung an «die Generalinspektion der Polizeidienste» weitergeleitet, so Castelli. Nun soll die Polizei der Polizei prüfen, ob die Polizei eine Straftat beging.