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Netanyahu vor Gericht
Ein Angeklagter klagt an

Ein Bild mit starker Symbolkraft: Mit blauer Schutzmaske steht der 70-jährige Benjamin Netanyahu am Sonntag vor Gericht.
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Noch bevor der Prozess begann, verlas Benjamin Netanyahu seine Anklage. Er hatte sich am Sonntagnachmittag im Jerusalemer Bezirksgericht vor jenem Saal positioniert, in dem er wenige Minuten später als erster amtierender Regierungschef in der Geschichte Israels auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Ihm werden in drei Fällen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vorgeworfen, es drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Nach dem Motto «Angriff ist die beste Verteidigung» warf Netanyahu Polizei und Justiz vor, sie wollten «einen starken amtierenden Regierungschef der Rechten stürzen». Er präsentierte sich als Opfer einer Verschwörung. Der Prozess sei «der Versuch eines politischen Coups gegen den Willen des Volkes». Polizei und Staatsanwaltschaft hielt er vor, die «absurden Anklagen» gegen ihn «fabriziert» zu haben. «Ist das der Rechtsstaat, ist das Demokratie?» Er frage sich, warum Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit die Anklagen unterschrieben habe: «Stand er unter Druck, hat er etwas zu verbergen?»

«Das rührt mein Herz!»

Netanyahu verwies auf die Parlamentswahl im März, bei der er trotz der Vorwürfe als Gewinner hervorgegangen sei. Dennoch sei er einer Hetzjagd ausgesetzt, die zum Ziel habe, ihn zu zerstören, beklagte der Ministerpräsident in aggressivem Ton. Selbst Holocaustüberlebende würden ihm schreiben, dass er nun «von Wölfen zerfleischt» werde und sie für ihn beteten. «Das rührt mein Herz!»

Netanyahu bedankte sich bei seinen Anhängern, die vor dem Gerichtssaal protestierten. Rund 250 Unterstützer und etwa gleich viele Gegner hatten sich versammelt. Rund ein Dutzend Abgeordnete und Minister seiner rechtsnationalen Likud-Partei begleiteten Netanyahu in das Gerichtsgebäude. Sie drängten sich eng um Netanyahu – mit Mundschutz, allerdings die Abstandsregeln missachtend. Nach der Ankündigung, er werde weiter kämpfen und den Staat Israel führen, betrat Netanyahu den Gerichtssaal 317.

Er setzte seine Maske auf, auch Richter und Staatsanwälte trugen Mund-Nasen-Schutz. Netanyahu weigerte sich, seinen Platz auf der Anklagebank einzunehmen, ehe die Kameraleute und Fotografen den Raum verlassen hatten. Als die vorsitzende Richterin Rivka Friedman-Feldman Netanyahu und die Mitangeklagten fragte, ob sie die Anklage mit dem Aktenzeichen 67104-01-20 verstanden hätten, bejahten dies alle.

Zigarren, Champagner und Schmuck

Bei den Korruptionsvorwürfen gegen Netanyahu geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien und um teure Geschenke befreundeter Milliardäre. Im brisantesten der drei Fälle soll Netanyahu dem Unternehmen Bezeq Begünstigungen gewährt haben. Bezeq-Eigentümer Shaul Elovitch, der mit seiner Frau Iris am Sonntag als Angeklagter ebenfalls auf der Anklagebank sass, soll im Ausmass von etwa 500 Millionen US-Dollar profitiert haben. Im Gegenzug soll Netanyahu verlangt haben, dass ein zum Konzern gehörendes Medium positiv über ihn berichtet.

In einem anderen Fall wird Netanyahu vorgeworfen, Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von rund 243’000 Franken angenommen zu haben. Im Gegenzug soll sich Netanyahu für Steuervergünstigungen in Millionenhöhe für den Hollywoodproduzenten Arnon Milchan eingesetzt haben. In einem weiteren Fall geht es um eine Absprache Netanyahus mit dem ebenfalls angeklagten Verleger Arnon Mozes über positive Berichterstattung in dessen Zeitung «Yediot Ahronot» und Einflussnahme auf die Gratiszeitung «Israel Hayom».

Verfahren könnte drei Jahre dauern

Mehr als 300 Zeugen sollen befragt werden. Kronzeugen der Anklage sind drei ehemalige Vertraute Netanyahus, die zum Teil belastende Tonbandaufnahmen zur Verfügung gestellt haben. Es wird damit gerechnet, dass das Verfahren mindestens drei Jahre dauert. Die Richterin Feldman-Friedman hat Erfahrung mit Korruptionsverfahren: Sie war Teil des Richtergremiums, das 2015 den früheren Ministerpräsidenten Ehud Olmert wegen Korruption zu 27 Monaten verurteilte. Olmert war vor der Anklageerhebung zurückgetreten.

Nach etwas mehr als einer Stunde endete der erste Prozesstag, am 19. Juli soll es weitergehen. Noch während der Verhandlung meldete sich Benny Gantz zu Wort, der politische Rivale Netanyahus, der zu seinem Koalitionspartner wurde und ihm zur fünften Amtszeit verhalf. Gantz sagte, er sei sicher, dass Netanyahu ein faires Gerichtsverfahren erhalte. Netanyahus Stellvertreter distanzierte sich damit von dessen Tirade gegen die Justiz.