Ein Albtraum namens Johnson
Mit dem Rausschmiss der Brexit-Rebellen hat der Premier die Tories gespalten. Doch es gibt auch Hoffnung für seine Gegner: Hat er überzogen?
Theresa May, der letzten Premierministerin, war im Brexit-Streit immer vorgeworfen worden, sie laviere zu viel und hätte sich zwischen den Remainern und den harten Brexiteers in ihrer Partei entscheiden müssen. Sie sei daran gescheitert, hiess es, dass sie versucht habe, beide Seiten zufriedenzustellen.
Wahr ist: May hatte Minister aus beiden Lagern in ihrem Kabinett, die sich bekämpften und oft illoyal waren. Aber am Ende hatte sie einen Deal mit Brüssel zustande gebracht, der dann, absurd genug, unter anderem von jenen Hardlinern zu Fall gebracht wurde, die jetzt in der Regierung sitzen. Jetzt regiert Boris Johnson, und er hat von Anfang an auf ein eindeutiges Signal gesetzt: Er berief keine Remainer, nicht mal Anhänger eines weichen Brexit in sein Kabinett, sondern nur Leave-Ideologen. Sein Beraterteam besteht aus überzeugten EU-Gegnern, denen das Schicksal der Konservativen Partei im Zweifel egal ist; entscheidend ist für sie das gemeinsame Ziel: der harte Schnitt, No Deal.
Aber offenbar hat Chefberater Dominic Cummings die Konservative Partei nicht verstanden oder falsch gelesen. Und offenbar haben Brexiteers wie Parlamentsminister Jacob Rees-Mogg, der am Dienstagabend einen unhöflichen und abgehobenen Auftritt im Unterhaus hinlegte, die Stimmung falsch interpretiert. 22 Parlamentarier – langjährige Parteimitglieder, ehemalige Kabinettsmitglieder, überzeugte Tories, regelrechte Berühmtheiten wie der «Vater des Hauses» Kenneth Clarke und der Enkel von Winston Churchill, Nicholas Soames – hatten mit der Opposition gestimmt.
Ihre prompte, brutale Abstrafung hat nun eine Empörung ausgelöst, wie es all die Lügen und Grobheiten von Johnson in den Wochen seit seinem Amtsantritt nicht vermocht hätten. Die Tory-Abgeordneten wurden abgestraft, weil sie einem Gesetzesantrag zustimmen, der Johnson auffordert, mit Brüssel einen Deal zu machen. Nur wenn er diesen Deal bis Mitte Oktober nicht macht, soll er, so sieht es der Antrag vor, die EU um einen Aufschub von drei Monaten bitten.
Der Premier will seine Partei von allen Zweiflern reinigen.
Johnson nannte diese Idee in seiner gestrigen Rede wütend «Selbstaufgabe», damit werde Brüssel die alleinige Macht übertragen, die Rebellen wollten den Brexit verhindern, Labour an der Macht sehen. Er tobte und drohte. Rees-Mogg näselte und belehrte. Die Rebellen zeigten sich davon nicht beeindruckt, manche sagten später, dieses Verhalten habe sie in ihrer Haltung nur bestärkt.
Die Regierung wertete die Abstimmung über den No-Deal-Vermeidungsantrag als «Vertrauensabstimmung»; kurz nach dem Votum gingen die Fraktionsgeschäftsführer die Liste alphabetisch durch und informierten die Rebellen, sie seien raus. Manche erfuhren vom Ende ihrer Parteikarriere per SMS.
Selbst Fans von Johnson finden, das gehe zu weit. Stil und Umgang seien skandalös. Gleichzeitig wird ganz klar, wohin die Reise geht: Der Premier will seine Partei von allen Zweiflern reinigen. Er will eine Brexit-Partei daraus machen, die dann einerseits die echte Brexit-Partei von Nigel Farage herausfordern kann, andererseits aber alle Hardliner bei den Tories selbst glücklich macht.
Der Preis ist ungeheuer hoch; derzeit ist die Partei de fakto gespalten. Liberalere, EU-freundliche Wähler haben hier keine Heimat mehr. Die nasty party, die gemeine Partei, wie die Tory Party von ihren Gegnern genannt wird, hat ihr Gesicht gezeigt. Johnson hat viel Sympathie verspielt. Aber nicht alle Hoffnung. Einer der geschassten Rebellen, Ex-Entwicklungshilfeminister Rory Stewart, zeigte sich am Mittwochmorgen sicher, dass Johnson bald weg und der Alptraum vorbei sei. «Dann werde ich wieder als konservativer Kandidat antreten.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch