Eigenmietwert: Vorschlag der SP-FrauUnd plötzlich sagt Jacqueline Badran Nein
Die SP-Vizepräsidentin hat im Parlament ihre bevorzugte Variante zur Abschaffung des Eigenmietwerts durchgebracht. Doch die SP ist dagegen – und nun auch Badran selbst.
- Jacqueline Badran unterstützt den Systemwechsel zur Abschaffung des Eigenmietwerts nicht mehr.
- Sie befürchtet hohe Steuerausfälle und ungerechtfertigte Vorteile für Hauseigentümer.
- Der Bundesrat schätzt die Einnahmenausfälle auf jährlich 1,7 Milliarden Franken.
Jacqueline Badrans Wort hat Gewicht. Manch ein Nationalrat hat daher genau zugehört, als die SP-Vizepräsidentin im September ans Rednerpult trat und erklärte: «Die Sozialdemokratie hat immer gesagt, sie würde der Abschaffung des Eigenmietwerts (also einem Systemwechsel bei der Besteuerung von selbst bewohntem Eigentum) zustimmen, wenn zum einen der Systemwechsel vollständig ist, alle Immobilien (auch Zweitwohnungen) erfasst werden und alle Abzugsmöglichkeiten gestoppt werden.» Zum andern müsse der Systemwechsel «einigermassen haushaltsneutral» ausfallen.
Darauf fragte Mitte-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter, ob Badran einem solch konsequenten Systemwechsel zustimmen könne. Die SP-Vizepräsidentin erklärte, sie könne nur für sich reden. Im Mieterverband sei die Frage umstritten. Wenn es aber eine steuerliche Gleichstellung mit den Mietenden gebe, «kann ich mir vorstellen, dass man zustimmen wird».
Inzwischen ist klar: Badran hat das von ihr bevorzugte Modell durchs Parlament gebracht. Demnach fallen mit dem Eigenmietwert auch die Schuldzins- und Unterhaltsabzüge weg. Eine Ausnahme ist vorgesehen, wenn jemand einen Teil des Eigenheims an Dritte vermietet. Für diesen Teil sind Abzüge weiterhin erlaubt, für den Rest nicht.
Badran hat sich als Einzige enthalten
Badran hat sich für diesen Vorschlag starkgemacht. Doch weder ihre Partei noch der Mieterverband haben sich damit anfreunden können. Entsprechend haben am Mittwoch fast alle SP-Nationalrätinnen und -Nationalräte gegen den Systemwechsel gestimmt. Alle ausser einer: Jacqueline Badran. Die SP-Vizepräsidentin hat sich enthalten.
In der Schlussabstimmung vom Freitag hat nun aber auch Badran den Nein-Knopf gedrückt. Ihre Begründung: «Es kostet zu viel und privilegiert einmal mehr Wohneigentümer.» Damit meint die Zürcher Wohnungsbesitzerin auch sich selbst. «Ich konnte in den vergangenen Jahren den Wert meiner Wohnung verdoppeln und die Kosten halbieren – ohne jede Leistung.»
Gleichzeitig seien die Mieten gestiegen, moniert Badran. Da gehe es nicht an, den Hauseigentümern nochmals Geld in den Sack zu stecken, indem man Steuerausfälle in Kauf nehme. Der Bund rechnet bei einem durchschnittlichen Hypozins von 1,5 Prozent mit Einnahmenausfällen von jährlich 1,7 Milliarden Franken bei Bund und Kantonen. Ab einem Zinssatz von knapp 3 Prozent wäre die Reform einnahmenneutral.
«Griechische Verhältnisse» bekämpfen
Der Vorstand des Mieterverbands hat bereits Ende November beschlossen, den Parlamentarierinnen und Parlamentariern ein Nein zu beantragen. Vorstandsmitglied Jacqueline Badran wurde damals überstimmt. «Per se finde ich den Systemwechsel richtig», sagt sie auch heute noch. In ihrem nationalrätlichen Votum vom September nannte sie vier Punkte, die dafür sprechen:
Mit einem konsequenten Systemwechsel könne man die steuerlichen Anreize für eine hohe Verschuldung beseitigen. Die heutige Regelung habe zu «griechischen Verhältnissen» mit sehr hohen Schulden geführt, was volkswirtschaftlich riskant sei.
Man müsse davon wegkommen, das Zuhause als Anlageobjekt zu betrachten, wie dies beim Eigenmietwert der Fall sei.
Vermögende sollten ihre Steuern nicht mehr optimieren können, indem sie das Haus mit Hypotheken belehnten und mit dem Geld an den Aktienmärkten steuerfreie Gewinne erzielten.
Schliesslich versprach sich Badran vom Systemwechsel auch eine preisdämpfende Wirkung.
Laut Cédric Wermuth war dagegen immer klar, dass seine Partei die heutige Lösung mit dem Eigenmietwert bevorzugt. «Diese ist besser als alle Varianten eines Systemwechsels», so der SP-Co-Präsident. Das von Badran bevorzugte Modell sei zwar das am wenigsten schlechte. Es sei aber sehr spät in der Diskussion aufgetaucht, weshalb sich seine Folgen unter Zeitdruck nicht sauber abklären liessen. So öffne man Tür und Tor für neue Steuerumgehungen.
Wermuth fürchtet, dass die Steuerausfälle mit 1,7 Milliarden Franken «deutlich unterschätzt» sein könnten – gerade auch aufgrund der Zinssenkung durch die Nationalbank.
«Nicht mit Herzblut dagegen»
Weil der geplante Systemwechsel auch Zweitwohnungen umfasst, rechnen Tourismusregionen mit besonders hohen Steuerausfällen. Um dem entgegenzuwirken, sollen Kantone eine Sondersteuer auf Zweitliegenschaften erheben dürfen – eine sogenannte Objektsteuer. Nach dem Ja von National- und Ständerat in den Schlussabstimmungen kann nun das Volk darüber befinden. Ein Referendum ist dafür nicht nötig. Denn für die Objektsteuer braucht es eine Verfassungsänderung – also ein Ja von Volk und Ständen.
«Ich werde nicht mit Herzblut dagegen kämpfen», sagt Badran. Immerhin sei «die beste aller möglichen Varianten» durchgekommen. Das führe bei ihr zu einer «grossen Ambivalenz». Dies erkläre auch ihre (vorübergehende) Enthaltung. Ganz ausschliessen will sie einen Auftritt in der Fernseh-«Arena» aber nicht – auf der gegnerischen Seite. Die Hauseigentümer seien den Mietern nie entgegengekommen – etwa bei der staatlichen Kontrolle von Mieten. «Das ist nicht in Ordnung, weshalb sie jetzt nicht noch von Steuerausfällen profitieren sollen», so Badran.
Auch bei den Grünen schwindet die Zustimmung
Diese Ausfälle seien den tiefen Zinsen geschuldet, entgegnet Mitte-Nationalrat Ritter. «Das kommt via den Referenzzinssatz auch den Mietern zugute.» Sieben Jahre lang habe man nun darauf hingearbeitet, eine breit abgestützte, mehrheitsfähige Vorlage zu bekommen. SP und Grüne hätten sich stets für einen konsequenten Systemwechsel ausgesprochen. Nun erwarte er, dass sie Wort hielten.
Immerhin acht Grüne haben am Mittwoch im Nationalrat zugestimmt – darunter Michael Töngi, Vizepräsident des Mieterverbands. In der Schlussabstimmung vom Freitag hat sich Töngi dann enthalten. Dort mochten nur noch drei Grüne den Ja-Knopf drücken. Bei der SP stimmte lediglich Ständerat Daniel Jositsch zu.
Es ist also durchaus möglich, dass die Linke die Abschaffung des Eigenmietwerts an der Urne einmal mehr vereitelt – unter Mithilfe der Bergkantone, die ebenfalls dagegen sind. Für Wermuth ist jedenfalls klar, dass die SP die Nein-Parole beschliessen wird. Wie stark man sich im Abstimmungskampf engagieren werde, sei noch offen.
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