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Der spezielle Sportunternehmer
Mit 25 ist er schon Herr über acht Pferde und Chef von vier Angestellten

epa11671705 Edouard Schmitz from Switzerland and the horse Gamin van't Naastveldhof compete in the Longines FEI Jumping World Cup round in class CSI5*-W during the Oslo Horse Show in the Unity Arena at Fornebu, Oslo, Norway, 20 October 2024.  EPA/Jonas Been Henriksen  NORWAY OUT
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In Kürze:
  • Edouard Schmitz ist einer der talentiertesten Schweizer Reiter, im Sommer nahm er an Olympia teil.
  • Der 25-Jährige stammt nicht aus einer Pferdesportfamilie und musste sich deshalb alles selber erarbeiten.
  • Seine besten Pferde werden ihm von der Besitzerfamilie Fasana zur Verfügung gestellt.
  • Seit September hat er seinen eigenen Stall und einen jährlichen Aufwand von rund einer halben Million Franken.

Es begann alles mit einem Gerücht, das er immer wieder als solches abtat. Heute sagt Edouard Schmitz: «Ich habe keine Ahnung, wer es verbreitet hat. Aber jetzt bin ich froh, dass es so gut gekommen ist.»

Schmitz ist im Sommer 25 Jahre alt geworden – gerade als er von den Olympischen Spielen in Paris heimkehrte. Es war eine harte, aber wichtige Erfahrung gewesen draussen im riesigen Pferdesportpark von Versailles. Er hatte den Final deutlich verpasst und durfte nur zuschauen, als Steve Guerdat die Silbermedaille gewann.

Der Genfer war 2021 als «Rookie of the Year» ausgezeichnet worden, viele bezeichneten Schmitz sogar als «Shootingstar». Er war 23, als er den prestigeträchtigen GP der «Dublin Horse Show» zum Abschluss der Saison 2022 gewann und alle hochdekorierten Schweizer hinter sich gelassen hatte. Es war der Anfang einer Erfolgsserie, die ihn eineinhalb Jahre später für seine ersten Spiele qualifizierte.

Und jetzt, vier Monate nach Paris, ist Schmitz mehr Unternehmer als Spitzenreiter. Hat eine eigene Firma, hat mit erst 25 schon einen Stall, arbeitet mit acht Pferden, hat vier Angestellte und Tage, von denen er sagt: «Ich habe noch nie so viel gearbeitet, aber es ist mir auch noch nie so gut gegangen wie jetzt.» 

Das Studium an der ETH abgebrochen

Schmitz ist in der Pferdesportwelt eine Ausnahme, von der es sich lohnt, die Geschichte von Anfang an zu erzählen. Auch er kennt niemanden mit seinen Voraussetzungen, der den unternehmerischen Aufstieg fast parallel zum sportlichen vorangetrieben hat. Er sagt: «Als Kind habe ich jahrelang gebettelt, bis ich mich auf ein Ross setzen durfte.»

Tatsächlich ist es seine Herkunftsgeschichte, die ihn von vielen Schweizer (und auch ausländischen) Reitern unterscheidet: Die Familie des Genfers ist keine der Pferdesportfamilien wie die Fuchsens oder Guerdats, die ihr Wissen und ihre (Handels-)Beziehungen von Generation zu Generation weitergeben.

Alles, was Schmitz an gemachtem Nest in dieser finanziell aufwendigen und komplexen Sportart hatte, war eine Mutter, die in ihrer Jugend ebenfalls geritten war. Und: das eigene Talent, den Ehrgeiz – und die Geduld. Seine Faszination hat immer den Tieren gegolten, «ich habe Unmengen von Tierbüchern verschlungen», sagt er.

Als er mit dem Pony, das die Eltern ihm und seiner Schwester schenkten, als Junior schon bald seine Fähigkeiten erkennen liess, ging es schnell. Schmitz weiss heute, dass er sehr viel Glück hatte mit den Pferden, die ihm seit vielen Jahren von der Besitzerfamilie Fasana zur Verfügung gestellt werden.

Schmitz hat die vergangenen sieben Jahre in der Deutschschweiz gelebt, er ist ohnehin bilingue, weil sein Vater lange in Zürich lebte. Und als er mit 18 an der ETH Zürich ein Studium in Maschinenbau aufnahm, suchte er sich gleichzeitig einen Stall, in dem er lernen konnte. «Dieser Wechsel war damals ein grosser Entscheid für mich», sagt er, das Studium habe er als Ausgleich zum Sport gebraucht. Von der Familie Fuchs hat er schnell einen Platz in deren Stall in Wängi TG angeboten bekommen, im Nachhinein sagt er: «Ich hätte kaum eine bessere Schule haben können.» Das Stall-Management von Vater Thomas und Sohn Martin Fuchs sei schlicht «Weltklasse».

Plötzlich ungefragte Angebote

Nach einem halben Jahr, in dem er die Pferde des sieben Jahre älteren Fuchs junior beritt und von dessen perfekter Reittechnik lernte, brachte er zwei eigene Pferde mit und begann, sein eigenes «Sub-Eco-System» aufzubauen, wie er das auf Neudeutsch sagt, seinen eigenen Bereich. Mit eigenen Bereitern, Pferdepflegerinnen, einem Tierarzt, der aus Genf anreiste, mit der eigenen Administration.

Und dann kam plötzlich das Gerücht auf. 

«Auf einmal sagte man mir nach, ich wolle weg aus Wängi und zurück nach Genf», sagt Schmitz. Er bekam ungefragt Angebote von Stallungen – und sagte allen ab. Er betonte, es stimme nicht, was herumgeboten werde. «Als ich wieder einmal unterwegs war heim zu meinen Eltern, kam die nächste Offerte. Auch da sagte ich, es interessiere mich nicht, und hängte auf.»

Im Hinterkopf jedoch begann es zu rumoren und zu arbeiten. Vielleicht doch der eigene Stall? «Ich habe zurückgerufen und gesagt, ich würde mir die Anlage doch gern ansehen.» Er sei dann am Wochenende nach Anières auf der anderen Seeseite an der französischen Grenze gefahren, und – «es war unheimlich: Alles passte, es war perfekt». Man bot ihm zur Miete alles, was auf das Wohl der Pferde ausgerichtet ist. Innenboxen, Aussenboxen mit Auslauf, eine überdachte Reithalle, ein Aussenplatz mit Sand, ein weiterer mit Gras, eine Führanlage sowie drei Paddocks. Schmitz sagt: «Es war eine einmalige Chance für mich.» 

Seither hat sich sein Spitzensportlerleben grundlegend verändert. Schmitz ist mindestens so sehr Unternehmer.

Am 1. September ist er in Anières eingezogen, mit ihm sieben Pferde, Quno gehört seinen Eltern, Abdul-Jabbar und ein weiteres ihm, Gamin und ein Trio werden ihm von den Fasanas zur Verfügung gestellt, ein achtes ist von einer schwedischen Reiterin seither zum Beritt dazugekommen. Ein neuntes eines belgischen Kollegen wird nächste Woche ankommen. Und wenn Schmitz vom Aussenplatz auf den See hinunterschaut, kann er sein Glück kaum fassen.

Er hat lange gerechnet. «Bevor ich mich für diese Anlage entschieden habe, musste ich ein genaues Budget aufstellen. Bei solch grossen Entscheiden hole ich mir auch den Rat meiner Eltern. Ich habe auch viel mit Martin Fuchs geredet», sagt er. Die Eltern waren enthusiastisch – denn es hiess ja auch, dass der Sohn wieder nach Genf und damit nach Hause zurückkehren würde.

In den Anfängen belaufe sich sein Aufwand nun auf einen mittleren fünfstelligen Betrag pro Monat. Schmitz sagt dazu, er sei ein risikofreudiger Mensch. «Ich sagte mir, dass ich das mache, weil ich auch einen Plan B habe, wenn es nicht funktionieren sollte.» Dieser ist einfach und heisst: ausschliesslich Reiter sein. So, wie er das sagt, wird der negative Fall aber kaum eintreffen, obwohl die Herausforderung gross ist. «Ich muss mir alle Möglichkeiten und Beziehungen erarbeiten, die andere schon zum Vornherein haben», gibt er zu bedenken.

Die Pflege anderer Pferde trägt die Miete mit

Wie aber kann sich ein 25-Jähriger fast ohne das Portemonnaie der Eltern einen solchen Betrieb leisten? Eine Firma, bei der er ebenso angestellt ist wie das Quartett, das sich um die Pferde und um die Anlage kümmert? Schmitz verweist auf seinen sehr frühen sportlichen Erfolg, der Preisgelder und Prämien, aber auch Sponsorenverträge aus der Branche einbrachte. «Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Es wird jedes Jahr einen Anteil Unsicherheit geben, ob das Geld reicht. Jedes Jahr wird mit einer roten Zahl beginnen, die hoffentlich sehr schnell schwarz wird. Diesen Druck habe ich, den hat aber jeder Spitzensportler.»

Schmitz erklärt, dass er sich budgetmässig keinen ganz grossen Stall hätte leisten können, aber auch nicht einen Pensionärsstall, in dem die Pferde kein Training mehr benötigen. «Die Idee hinter meinen 13 Boxen ist, dass darin die eigenen Pferde Platz haben, künftig aber auch fünf fremde, um die wir uns kümmern, die wir bereiten und deren Unterhalt die Miete mitträgt.» Dass er nach so kurzer Zeit schon die zweite Anfrage bekam, ein Spitzenpferd aufzunehmen, stimmt ihn optimistisch.

Am Sonntag steht Schmitz in seiner Heimatstadt am CHI im Grand-Prix-Final. Er ist nicht durchs Turnier gerauscht wie sein Freund Martin Fuchs, der neben anderem am Freitag auch den grossen Top-10-Final gewann – als Ersatzmann rutschte er noch ins Zehnerfeld.

Dass Schmitz die Auftritte nicht so geglückt sind, wie er sich das vorgestellt hat, und dss er lange zittern musste um die GP-Finalteilnahme, will er nicht in Zusammenhang mit seinem neuen grossen Engagement sehen. Am GP in Oslo ist er mit Rang 2 hervorragend in die Saison gestartet, in Spanien seien ihm in den letzten Wochen derweil «ein paar Fehlerchen» zu viel unterlaufen, wie er sagt. Doch nun ist Genf, das ist die nächste Chance.