Architektur in FrutigenDurchs Feuer gegangen
Der Anbau eines Chalets im Berner Oberland markiert einen neuen Ökotrend: Er wurde in Yakisugi ausgeführt, der alten japanischen Technik der Holzköhlung.
Die asiatische Methode der Holzkonservierung durch kontrolliertes Anbrennen – Yakisugi – ist in der Schweiz noch weitgehend unbekannt. Doch das dürfte sich ändern, denn die organische Behandlung kommt dem Ruf der Nachhaltigkeit in der Architektur entgegen. Eines der ersten so behandelten Gebäude steht im beschaulichen Frutigen. 1899 Architekten aus Thun (ehemals Lanzrein+Partner Architekten) haben dort ein Chalet um einen kleinen, feinen Annex erweitert, dessen Fassade aus geköhltem Holz besteht. Für Uneingeweihte tönt das befremdlich: Wir bauen etwas Neues und zünden es vorher an, bis es schwarz wird?
Doch die Japaner bauen seit Jahrhunderten nach diesem Prinzip, wobei Yaki Verbrennen bedeutet und Sugi Zeder. Vermutlich haben die Menschen schon früh erkannt, dass Holzbauten, die durch Feuer beschädigt wurden, bei einem neuerlichen Brand resistenter waren. Die gezielte, oberflächliche Beflammung macht die Fassade widerstandsfähig gegen Wasser, Insekten und Schimmel; Holzschutzmittel oder Anstriche erübrigen sich.
Der eingeschossige Anbau aus einheimischer Weisstanne in Frutigen wird mit nobler Eleganz altern, die Optik ist bereits jetzt attraktiv, das Holz schimmert seidig schwarz, und die Struktur tritt reizvoll hervor. Erst nach rund 50 Jahren muss die Fassade mit Öl neu versiegelt werden.
«Als ich davon hörte, hat mir die Methode sofort eingeleuchtet», sagt der junge Steinbildhauer Manuel Bätscher. Mit seiner Frau und drei kleinen Kindern bewohnt er das Chalet aus dem Jahr 1938 und führt den Betrieb in der vierten Generation weiter. 1937 als Grabsteingeschäft gegründet, stellt es heute auch Gartenskulpturen, Brunnen und Lavabos aus Naturstein her.
Der boxförmige Holzanbau ersetzt den ehemaligen Wintergarten und steht auf dem Sockelgeschoss, wo sich Atelier und Laden befinden. Mit seinen raumhohen Eckfenstern schaut er freundlich in die Nachbarschaft – formstreng und doch anmutig. Eine Aussentreppe verbindet ihn mit dem Garten, das feine, vorspringende Dach lässt ihn leicht erscheinen. Und das dunkle Holz harmoniert gut mit der von Wind und Wetter gegerbten Chaletfassade. Geköhlt wurde das Holz von der Schreinerei Kilchenmann im bernischen Worb, auch für sie war es unbekanntes Terrain.
Innen funktioniert der Holzkubus als grosszügiger Wohn-Essraum mit Küche. Denn die Familie wollte die in die Jahre gekommene Wohnung neu organisieren. Der unpraktische Grundriss sollte kindergerecht werden und die Bedürfnisse der jungen Familie erfüllen. Zum andern wollte man eine Einliegerwohnung für soziale Zwecke integrieren. Hier sollen Menschen wohnen können, die kurzfristig eine Bleibe brauchen, Personen etwa, die sich von ihrem Partner getrennt haben.
Damit alle Ansprüche unter ein Dach passten, wurde das gesamte Obergeschoss umgebaut und verdichtet. Der Teil mit der alten Stube wandelte sich zur kompakten Einliegerwohnung mit Terrasse: ein fliessender Grundriss mit hell belichtetem Wohn-Essraum, zwischengeschobenem Bad und rückwärtigem Schlafraum.
Nach dem Umbau steht der Familie insgesamt weniger Platz zur Verfügung, aber der Gewinn an Wohnqualität macht dies mehr als wett. Wobei sich der Annex als grosser Gewinn herausstellt. Er ist ein All-inclusive-Raum – der Lebensmittelpunkt der Familie. Von der offenen Küche mit dem Holztisch hat man die spielenden Kinder immer im Blick.
Wenig Möbel, mehr Möglichkeiten, lautet die Devise. Der eckseitig belichtete Raum ist geschickt ausgenutzt: Einige Elemente haben doppelte Funktion, wie der Raumteiler zwischen Küche und Wohnraum. Von der einen Seite funktioniert er als Gewürzregal, von der anderen als Büchergestell. Oder die tiefe Fensternische, die zum Sitzen einlädt und als Ablage dient. Ein Holzrost schützt beim Lesen vor Sonne und bringt ein Lichtspiel auf den Boden aus geseiften Tannenriemen.
Da die Decke im hinteren Teil einen Höhensprung macht, öffnet sich die Perspektive und erweitert die Box optisch nach draussen. Die Wände sind in hellgrauer Ölfarbe gestrichen – der Anspruch an Naturnähe ist bei diesem Anbau nicht nur Fassade, sondern wirkt auch im Innern.
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