Ausflug ins Zürcher OberlandDurchatmen mit der Natur
Am Greifensee, wo sich im Sommer unzählige Menschen tummeln, erholen sich im Winter Tiere und Pflanzen. Ein Uferspaziergang durch die melancholische Stille lohnt sich. Ab und an wird es im Schilf rascheln.
Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Der Winter hat sich in die Berge zurückgezogen. Schneebedeckt die Gipfel der Glarner und Zentralschweizer Alpen, herbstlich braun noch die Wälder am Pfannenstiel am Nordwestufer des Greifensees. Auch das Blattwerk der Bäume, die zwischen Fällanden und Schwerzenbach die Ufer der Glatt säumen, sind dürr und braun. Der Winter hat die Blätter sterben lassen, der Nachtfrost hat sie konserviert. Dennoch wirken Ried und Auenwäldchen am Ufer des Sees und beim Austritt der Glatt nicht tot. Melancholisch vielleicht, das schon, aber Moor- und Riedlandschaften hängt immer etwas Melancholisches an.
Ich stehe auf der kleinen Brücke, die sich unweit des Sees und nahe dem 130-jährigen Wehr über die Glatt spannt. Der junge Fluss erinnert hier an den von Platanen gesäumten Canal du Midi. Doch Platanen gibt es hier keine, hier gibt es vorab Schilf und Buschwerk, vereinzelte Birken strecken die dürren Äste zum Himmel, Buchen auch, und andere Bäume tun es ihnen gleich. Im Schilf raschelt es, Blesshühner tauchen auf und lassen sich mit der Strömung treiben, ein Entenpärchen schwimmt unter der Brücke seewärts, zur kleinen Schwelle bei der Wehranlage. Zwei Schwäne stehen dort, putzen sich und schauen den Enten zu, während unweit ein Graureiher auf einem kahlen Ast hockt und regungslos in die Ferne blickt.
Vielleicht geht sein Blick bis zum Südufer, zum Aaspitz, dorthin, wo die Mönchaltorfer Aa in den See mündet. Dort stand ich vor zwei, drei Stunden. Hatte mich vom Parkplatz bei der Schiffsanlegestelle Maur auf den rund 18 Kilometer langen Weg um den See gemacht, wanderte südwärts Richtung Uessikon, der See versteckt sich hier meist hinter einem Schilfgürtel, rechter Hand Wiesen und brache Felder, kahle Obstbäume, in der Ferne die Forch, der Pfannenstiel und dazwischen, direkt am Veloweg, ein schmuckes Riegelhaus aus dem 18. Jahrhundert, darin das Restaurant Stall-Stube, rustikal und weitum beliebt.
Geschützte Uferzonen
Bei der Seebadi Egg lichtet der Schilfgürtel sich. Die Liegewiese herbstlich winterlich, dürres Laub am Boden, kein Kindergeschrei, kein Betrieb, Winterruhe. Danach weites Riedland, Schilf am Ufer, Naturschutzgebiet. Beinahe die gesamte Uferzone des rund 8,5 Quadratkilometer grossen Sees am Rande des Zürcher Oberlandes ist geschützt. Und das ist gut so. Gerade im Sommer und an Wochenenden ist die Uferregion des Greifensees ein beliebtes und äusserst belebtes Erholungsgebiet. Erst wenn der Herbst sich ankündet, das Laub sich verfärbt und Schilf und See unter heftigen Windstössen erbeben, wird es still. Die Natur atmet durch, die Möwen, Enten, Haubentaucher und Kormorane ziehen ungestört ihre Kreise im Wasser, und durch das Ried staksen noch einige Störche, die sich nicht auf den Weg in den Süden machen wollten.
Es ist eine Gegend mit grosser biologischer Vielfalt. Rund 400 Pflanzenarten wachsen hier, im See und in seinen Zuflüssen leben 19 Fischarten, neben den heimischen Vögeln werden mehr als 120 Zugvogelarten nachgewiesen, und auch der Biber fühlt sich hier zu Hause.
An jenem Wintermorgen sah ich allerdings keinen der fleissigen Nager. Ich stand bei der Schiffsanlegestelle am Aaspitz, schaute den Wasservögeln bei ihrem Treiben zu, blickte über den See, nach Maur, dessen Kirchturm in der Wintersonne glänzte, nach Greifensee auf der anderen Seeseite, diesem schmucken Landstädtchen, das einst als Sitz der Landvögte diente und dem See seinen Namen gab.
Blick auf die Blutmatte
Und in dem sich ein trauriges Kapitel Geschichte abspielte, damals, im Alten Zürichkrieg, als die Burg des Städtchens während vier Wochen von einem Innerschweizer Heerhaufen unter dem Schwyzer Landammann Ital Reding belagert und bestürmt wurde. Am 27. Mai 1444 mussten sich die 62 von Wildhans von Breitenlandenberg angeführten Verteidiger jedoch ergeben. Worauf alle bis auf zwei auf der Blutmatte in Nänikon enthauptet wurden. Eine Tafel an der heutigen Schlossmauer erinnert an das Massaker, an die «Bluttat vom Greifensee».
Es ist früher Nachmittag, und ich stehe noch immer auf dem Brücklein über der Glatt. Die Schwäne putzen sich noch immer, und auch der Reiher starrt ins Weite. Als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Der Himmel ist winterblau, und die Sonne wirkt blass und kraftlos. Gegen die Windstösse kommt ihre laue Wärme nicht an. Ich stecke die Hände in die Jackentaschen und mache mich auf den Weg nach Maur, das laute Keckern eines Blesshuhns im Ohr.
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