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Meinung

Analyse zum neuen Duden
Wer bestimmt, dass «Fettsack» derb diskriminierend ist?

PRODUKTION - 19.07.2023, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: Ein Stift deutet auf die Worte ·Portemonnaie· und im Vergleich dazu "Portmonee" auf einer Seite des Duden mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung. Vor 25 Jahren trat die deutsche Rechtschreibreform in Kraft. (zu dpa-KORR Was nach 25 Jahren Rechtschreibreform geblieben ist) Foto: Jens Büttner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Jens Büttner)
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Vielleicht haben Sie es schon gehört: Der neue Duden ist da! Das «umfassende Standardwerk» der deutschen Sprache, das erstmals 1880 erschien und heute von den allermeisten online abgerufen wird, ist in seiner 29. Druckauflage erschienen.

Einiges war in den letzten Tagen darüber zu lesen, so etwa, welche Wörter bei einem Zuwachs von insgesamt 3000 Einträgen erstmals neu enthalten sind – oder welche Begriffe und Schreibweisen verschwunden sind.

Gemäss Duden ist es zum Beispiel nicht mehr okay, «Tunfisch», «Majonäse» oder «Jogurt» zu schreiben. Das kann man natürlich ganz schön «traurick» oder «zlimm, zlimm» finden, um hier mal Hedwig Pringsheim (1855–1942) zu zitieren, die heute noch etwas bekannt ist, weil sie die Schwiegermutter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann war – und zahlreiche Briefe mit ihrem Privatvokabular verzierte.

FAZ macht beim Duden eine «Prüderielatte» aus

Ob die «Majonäse» nach der Verbannung aus dem Duden irgendwo im deutschsprachigen Raum überleben wird, ist zum gegebenen Zeitpunkt unklar. Sicher ist: Ein Literaturkritiker hat sich für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) die Mühe gemacht, mal herauszufinden, welche Wörter im Duden fehlen, obwohl sie dem Kritiker geläufig sind.

Besonders angetan zu haben scheinen es dem FAZ-Rezensenten Wörter aus dem Bereich Sexualität: Während lateinische Termini wie Cunnilingus oder Fellatio im deutschsprachigen Wörterbuch aufgeführt seien, erhalte die an der Sexualsprache interessierte Duden-Leserschaft «keinerlei Hinweise auf gängige Ausdrücke wie Doggystyle, abspritzen, Rimming, Cumshot oder Milf». Wie es bei dieser «ein wenig albernen Zurückhaltung dem Fistfucking gelang, die hohe Prüderielatte des Duden zu nehmen», bleibe schleierhaft, schreibt der Kritiker.

Häufig, stark oder derb diskriminierend?

Ebenfalls umgetrieben hat den Kritiker die Frage, wie denn der Duden entscheidet, welche Wörter als diskriminierend gelten. Der FAZ-Kritiker hat in diesem Zusammenhang nämlich einige Widersprüche ausgemacht: Während «Schickse», «Flittchen», «Schlitzauge», «Buschmann», «Kümmeltürke», «Krüppel» oder «Kanake» in der Neuauflage als diskriminierend gelabelt sind, gelte dies nicht für «Itaker» oder «Hurenbock».

Noch etwas willkürlicher – oder differenzierter – gehe es im Duden zu und her, wenn Fettsack als «derb diskriminierend», Nutte als «häufig diskriminierend», Eskimo als «teilweise diskriminierend» und zwergwüchsig als «stark diskriminierend» eingeschätzt würden. «Wer für diese nach oben offene Diskriminierungsskala zuständig ist, das wüssten wir gern», meint die FAZ.

Wir haben uns beim Duden erkundigt: Bei den Markierungen als «teilweise», «derb» oder «stark diskriminierend» handle es sich um einen «äusserst dynamischen Prozess», der eigentlich nie abgeschlossen sei, schreibt die Pressestelle. Grundlage für die Wertung sei die Analyse des Dudenkorpus – eine riesige Zusammenstellung von Texten, und zwar von der Weltliteratur bis zur Bastelanleitung –, aber auch anderer Quellen zum Wortgebrauch. Verglichen würden die Markierungen auch mit jenen aus anderen deutschsprachigen und internationalen Wörterbüchern.

Duden will nicht als prüde gelten

Das klingt auch nach längerem Erklärungsversuch etwas vage. Sicher ist, dass der Duden nicht als prüde gelten will, wenn es um Wörter aus dem Bereich Sexualität geht. Auch diese Wörter müssten «die üblichen Duden-Aufnahmekriterien» erfüllen, schreibt die Pressestelle. Konkret bedeutet dies, dass ein Wort im Dudenkorpus «über einen bestimmten Zeitraum und in einer bestimmten Textsortenbreite in einer bestimmten Häufigkeit» belegt sein muss.

Die vom FAZ-Kritiker genannten Wörter kämen jedoch eher selten in den untersuchten Texten vor. Selbstverständlich würden die erwähnten Begriffe aber geprüft und gegebenenfalls zunächst in den Online-Duden aufgenommen. Neu in den Rechtschreibduden integriert habe man 2024 übrigens «Bondage», schreibt die Duden-Pressestelle offenbar nicht ganz ohne Stolz.

Offen bleibt die Frage, in welchen Lebenszusammenhängen jemand überhaupt die korrekte Schreibweise der genannten Wörter nachschlagen möchte. Es scheint jedenfalls relativ unvorstellbar, dass jemand zunächst im Duden überprüft, wie denn geschrieben wird, was einen interessiert oder man mal ausprobieren möchte. Aber vielleicht fehlt es uns einfach an Fantasie.