Donald Trump und das geheime Transkript
Gibt es vom Wortlaut des Ukraine-Telefonats zwei Versionen? Die Befragung von Zeugen könnte Licht ins Dunkel bringen.
Der Präsident trat vor die Kameras. Treuherzig versicherte er: «Die Wahrheit ist immer die Wahrheit geblieben.» An den Verdächtigungen gegen ihn sei nichts dran. Das würden Transkripte seiner Gespräche eindeutig beweisen. Deren Veröffentlichung habe er angeordnet. So sprach einst Richard Nixon, bedrängt durch Vorwürfe, er habe einen Einbruch im Wahlkampfbüro der oppositionellen Demokraten im Watergate-Komplex angeordnet und vertuschen lassen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Aber manchmal wecken einzelne Episoden Erinnerungen an Vergangenes. So an diesem Dienstag, als Donald Trump der Veröffentlichung des, wie er selbst twitterte, «Transkripts» des umstrittenen Telefonats mit dem ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenski zustimmte.
Da kam manchen in Washington die Transkript-Pressekonferenz Nixons Ende April 1974 in den Sinn. Keine vier Monate später war der republikanische Präsident mit dem Spitznamen «Tricky Dick», Richard der Trickser, aus dem Amt gejagt.
Damals war klar, dass Nixon seine Unterredungen im Weissen Haus routinemässig aufzeichnen liess. Ein Mitarbeiter hatte sich verplappert. Und so forderte der Justizausschuss des Repräsentantenhauses die Herausgabe der Tonbänder, weil die Abgeordneten den Verdacht hegten, dass es sich bei den sogenannten Transkripten nicht um Wort-für-Wort-Wiedergaben handelte, sondern um Zusammenfassungen, die nachträglich bearbeitet sein könnten. Ihr Verdacht war nur allzu berechtigt, wie sich herausstellen sollte.
Nicht ohne Grund also verweigerte Nixon die Herausgabe der Bänder. Doch der Supreme Court ordnete deren Freigabe an, Nixon musste die Bänder herausrücken. Rasch war klar, dass wichtige Passagen redigiert waren oder ganz fehlten. Nixon hatte gelogen.
Gespräche mitzuschneiden hatte Nixon nicht erfunden
Die Praxis indes, Gespräche mitzuschneiden, hatte Nixon nicht erfunden. Seine fünf Vorgänger bis hin zu Franklin Roosevelt liessen das Band laufen, wenn sie telefonierten – ohne das natürlich zu sagen. Allerdings tat es keiner so obsessiv wie Nixon. Nach seinem Sturz gab es geheime Aufzeichnungen angeblich nicht mehr.
Anstelle des Transkripts trat ein sogenanntes «Memorandum of Telephone Conversation», kurz Memcon, es ist eine Zusammenfassung des Gesprächs, verfasst von Bürokräften, die mithören und simultan mitschreiben. Unter Barack Obama war es üblich, dass zwei oder drei auf Computern mitschrieben, anschliessend ihre Aufzeichnungen verglichen und daraus das Memcon erstellten.
Ob sich das geheime Transkript von der veröffentlichten Version unterscheidet, dürfte die Demokraten brennend interessieren.
Diese Praxis hat sich nun geändert, wenn es stimmt, was der Whistleblower, der sich über Trumps Vorgehen beklagt hatte, in seiner am Donnerstag veröffentlichten Beschwerde schreibt. Danach soll es inzwischen sogar «Wort-für-Wort-Transkripte» geben, auch von Trumps Telefonat mit Selenski am 25. Juli dieses Jahres. Den Ausführungen des Whistleblowers zufolge ist es üblich, dass die Gespräche auf Computern im Weissen Hauses gespeichert werden. Im Zeitalter von Handys und Voice-Recordern wohl tatsächlich keine Schwierigkeit mehr.
Der Wortlaut des Selenski-Telefonats soll indes auf Betreiben hochrangiger Mitarbeiter des Präsidenten von den normalen Computern entfernt und auf abgeschirmten, mit Codewörtern gesicherten Servern für Staatsgeheimnisse abgespeichert worden sein. Ob und wie sehr sich dieses geheime Transkript von der veröffentlichten Version unterscheidet, dürfte nun die Demokraten im Kongress brennend interessieren.
Nähe zum Nixon-Skandal kaum zu übersehen
Im Anhang zur Beschwerde des Whistleblowers steht zudem, dass es nicht das erste Mal gewesen sei, dass das Transkript eines Trump-Telefonats auf den abgeschirmten Servern weggeschlossen worden sei – «ausschliesslich aus dem Grund, um politisch brisante Informationen zu schützen» und nicht um Informationen abzuspeichern, die der nationalen Sicherheit dienten.
Die Nähe zu den Ereignissen, die am Ende zum Rücktritt von Präsident Nixon führten, ist kaum zu übersehen.
Die Demokraten im Kongress werden sich bei ihren Untersuchungen aber nicht auf die Angaben des Whistleblowers allein verlassen müssen. In seiner Beschwerde führte der aus, dass es etwa ein Dutzend Augen- und Ohrenzeugen des Gesprächs gab, einen hochrangigen Beamten des Aussenministeriums nannte er sogar mit Namen. Das dürfte dazu führen, dass die Untersuchungsausschüsse im Repräsentantenhaus alle Mitarbeiter des Weissen Hauses, die dabei gewesen sein könnten, nun vorladen – und zu einer Aussage unter Eid zwingen werden.
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