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Donald Trump – Selenskis «grossartiger Lehrer»

Der neue Präsident der Ukraine hat viel dafür getan, sich bei Donald Trump beliebt zu machen. Das wird die EU ihm nachtragen. Foto: PD/EPA
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Das Telefonat zwischen dem US-Präsidenten und seinem ukrainischen Amtskollegen von Ende Juli hat es in sich. Donald Trump hat es die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens eingetragen, weil er von Kiew ein Verfahren gegen seinen politischen Herausforderer Joe Biden verlangt hatte. Und Wolodimir Selenski, der den Ukrainern eine völlig neue Politik versprochen hatte, gleicht seinen Vorgängern plötzlich mehr, als ihm lieb sein dürfte. «Sie sind uns ein grossartiger Lehrer», sagte er gemäss dem Transkript des Gesprächs zu Trump, wie der US-Präsident wolle auch er «eine neue Art von Regierung» aufbauen.

Im Normalfall tritt Selenski nur mit vorgedrechselten Slogans und Reden an die Öffentlichkeit, was mit zu seinem beeindruckenden Wahlsieg beigetragen haben dürfte: Die verzweifelten Ukrainer konnten so in seinen Worten immer jeweils das finden, was ihnen am wichtigsten ist.

Natürlich blieb Selenski grundsätzlich nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen im Gespräch mit dem mächtigen Amerikaner. Die Ukraine ist auf finanzielle und politische Hilfe aus Washington angewiesen im Kampf gegen Russland, das die Krim annektiert hat und einen Teil der Ostukraine kontrolliert.

Selenski gab sich wirklich Mühe, Trump zu gefallen: Er habe im Trump Tower übernachtet bei seinem letzten Besuch in New York, erklärte er stolz. «Wir konnten von ihnen lernen. Wir haben einzelne Fähigkeiten und ihr Wissen genutzt und in den Wahlkampf einfliessen lassen.»

«Sie haben 1000 Prozent recht»

Doch mit diesen Nettigkeiten nicht genug. Der US-Präsident sagt in dem Gespräch, die USA täten «viel» für die Ukraine, viel mehr als die Europäer. «Deutschland tut beinahe nichts für sie», sagte Trump. Selenski zog nicht nur mit, er legte sogar noch nach: «Ja, da liegen sie absolut richtig. Nicht nur 100 Prozent, sondern 1000 Prozent», klagte er, «Ich habe mit Angela Merkel gesprochen und sie getroffen. Dasselbe gilt für Macron. (…) Sie arbeiten nicht so hart für die Ukraine, wie sie sollten.»

In Tat und Wahrheit schicken die Europäer rund doppelt so viel Hilfe in das Land wie die USA, insbesondere Deutschland und Frankreich sind sehr engagiert. Washington leistet in erster Linie Militärhilfe und liefert Waffen. Trump schickt seit einem Jahr auch Panzerabwehrraketen in die Ukraine. Sein Vorgänger Barack Obama und dessen Vize Joe Biden hatten solche Lieferungen noch verweigert.

Da wird sich der neue ukrainische Präsident erklären müssen: Wolodimir Selenski und Angela Merkel im Juni dieses Jahres. Foto: Kay Nietfeld (DPA)

Natürlich hat Selenski nicht damit gerechnet, dass sein Gespräch mit Trump zum Politikum und veröffentlicht werden wird. Bis zuletzt hatte er offenbar gehofft, dass zumindest sein Beitrag in dem Telefonat geheim bleibt. Nach der Freigabe versuchte er den schlechten Eindruck zu verwischen, den er vor allem in Berlin und Paris gemacht haben dürfte: «Ich will über niemanden etwas Schlechtes sagen», erklärte er diese Woche. «Ich danke allen, die uns helfen.»

Ohne Angela Merkel geht gar nichts

Der Affront gegen Merkel und Macron ist besonders heikel, weil nächsten Monat Friedensverhandlungen stattfinden sollen, an denen neben der Ukraine und Russland auch Frankreich und Deutschland beteiligt sind. Ohne Angela Merkel geht in dieser Verhandlungsrunde gar nichts. Bis zum Ausbruch des Skandals in den USA waren Beobachter zuversichtlich, dass ein Friedensabkommen zwischen Moskau und Kiew erreicht werden kann.

Auf der ukrainischen Seite gab es aber auch Bedenken: Die Europäer seien zu sehr an einer Beilegung des seit fünf Jahren dauernden Krieges interessiert und könnten von der Ukraine zu grosse Zugeständnisse an Wladimir Putin verlangen. In Kiew hoffte man deshalb auf klare Worte aus den USA. Doch Trump sagte Selenski beim Treffen in New York nur lahm: «Ich hoffe wirklich, dass sie und Präsident Putin zusammenkommen und ihr Problem lösen können.»

Und noch in einer Sache hat Selenski in dem Gespräch tief blicken lassen. Offenbar sieht der Präsident kein Problem darin, Trump einen «Gefallen» zu tun und Ermittlungen gegen den Sohn von Joe Biden anzuordnen. Von der Unabhängigkeit der Justiz, die er den Ukrainern im Wahlkampf versprochen hatte, ist da keine Rede mehr.

Selenski versicherte dem Amerikaner, der neue Generalstaatsanwalt werde «zu 100 Prozent meine Person, mein Kandidat sein». Damit tritt er in die Fussstapfen seiner Vorgänger, die den Generalstaatsanwalt nur als Vollstrecker des Präsidenten sahen, der politische Freunde vor Verfahren beschützt und Gegner juristisch drangsaliert oder gar neutralisiert. Genau dieses Modell wird auch in Russland praktiziert und ist eine wichtige Stütze für das autoritäre System Putin.

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