Politiker und PlagiatsaffärenDoktorarbeiten unter Verdacht
Die zurückgetretene Familienministerin Franziska Giffey ist nicht die erste deutsche Amtsträgerin, die wegen ihrer Dissertation in der Kritik steht. Ein Überblick mit prominenten Namen.
Nach wochenlangen Diskussionen über die Aberkennung ihres Doktortitels ist Franziska Giffey (SPD) von ihrem Amt als Familienministerin zurückgetreten. Der SPD-Politikerin wird vorgeworfen, in ihrer Dissertation plagiiert zu haben. (Lesen Sie dazu den Artikel «Ministerin tritt zurück – und macht weiter».) Das Urteil über ihre Doktorarbeit ist weiterhin strittig.
Helge Braun
Kürzlich sind Zweifel an der Doktorarbeit des aktuellen Kanzleramtsministers Helge Braun publik geworden. Die Justus-Liebig-Universität (JLU) in Giessen überprüft deshalb derzeit die Promotionsschrift des Mediziners. Braun wurde 2007 im Alter von 35 Jahren an der JLU zum Doktor der Medizin promoviert. Seine Arbeit behandelt den Einfluss intraoperativer Tachykardien (Herzrasen während einer Operation) auf die postoperative Prognose. Braun selbst hat um die Überprüfung der Vorwürfe durch die JLU gebeten.
Andreas Scheuer
2014 muss sich der damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit Plagiatsvorwürfen auseinandersetzen. In seiner Doktorarbeit soll er mehrere Textpassagen aus Fremdquellen übernommen haben, ohne dies korrekt zu kennzeichnen. Scheuer hatte 2004 an der Karls-Universität Prag den kleinen Doktorgrad PhDr. erworben. Dieser ist nicht mit dem deutschen Doktortitel gleichwertig. Eine Prüfung der Dissertation durch die Karls-Universität ergibt: Der CSU-Politiker hat drei Textstellen verwendet, ohne Quellen dafür anzugeben. Dies betrachtet die zuständige Kommission jedoch «nicht als schwerwiegenden Verstoss gegen Ethikregeln». Scheuer teilt dennoch mit, seinen Titel nicht mehr führen zu wollen.
Ursula von der Leyen
2015 steht die Doktorarbeit der damaligen CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Kritik. Ihre 1990 verfasste Dissertation beschäftigt sich mit den Folgen eines Entspannungsbades für Schwangere bei «vorzeitigem Blasensprung». Die Medizinische Hochschule Hannover stellt zwar Plagiate fest, sieht aber keine Täuschungsabsicht. Die Fehler stellten den wissenschaftlichen Wert der Arbeit, also das Ergebnis ihrer Forschung, nicht grundsätzlich infrage. Es gebe «kein wissenschaftliches Fehlverhalten, liess der Präsident der Hochschule verlauten. Die Politikerin darf ihren Titel behalten.
Silvana Koch-Mehrin
Im Frühling 2011 gerät auch die Doktorarbeit der ehemaligen FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin ins Visier der Plagiatsjäger. Auch sie soll Teile ihrer Doktorarbeit über «Die Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865–1927» abgeschrieben haben. Nach zweimonatiger Prüfung entzieht die Universität Heidelberg der Politikerin im Juni 2011 den Doktortitel. Auf etwa 80 Textseiten der Dissertation finden sich laut der Hochschule mehr als 120 Stellen, die als Plagiate zu klassifizieren sind. Koch-Mehrin hatte bereits kurz zuvor ihre Ämter als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Präsidiumsmitglied der FDP aufgegeben. Bei der nächsten Europawahl kandidiert sie nicht mehr.
Annette Schavan
Ausgerechnet über das Gewissen, genauer: «Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernisse heutiger Gewissensbildung», hat die ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) promoviert. 2013 entzieht ihr die Universität Düsseldorf den Doktortitel. Schavan habe in ihrer Arbeit «gefälscht». Im Vergleich zum einstigen Verteidigungsminister Karl-Theodor Guttenberg sind die Vergehen deutlich milder: Schavan hat zwar plagiiert, nur an wenigen Stellen aber fehlt ein Verweis auf die Herkunft ihrer Erkenntnisse völlig. Auch spricht ihr kaum jemand ab, in der Arbeit eigene Erkenntnisse geliefert zu haben. Kurz nach dem Entzug des Doktortitels tritt sie von ihrem Amt zurück. Zurücktreten muss sie vor allem, weil sie als Bildungsministerin für die Wissenschaft zuständig ist. Ihre Anfechtungsklage weist das Verwaltungsgericht Düsseldorf 2014 ab.
Frank-Walter Steinmeier
2013 wird auch Frank-Walter Steinmeier, heutiger Bundespräsident und damaliger SPD-Fraktionschef, mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert, erhoben von einem Fachhochschulprofessor. Steinmeier hatte 1991 mit einer Arbeit über Obdachlosigkeit in Giessen promoviert. Die Universität geht den Vorwürfen nach, stellt jedoch «weder eine Täuschungsabsicht noch ein wissenschaftliches Fehlverhalten» fest.
Karl-Theodor zu Guttenberg
Den einstigen Verteidigungsminister und CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg handelten manche schon als Kanzlerkandidaten, als im Februar 2011 ein Jura-Professor Plagiatsvorwürfe gegen ihn öffentlich macht. Guttenberg soll in seiner Doktorarbeit etliche Passagen ohne Kennzeichnung wörtlich übernommen haben. Kritiker werfen ihm vor, fast alles abgeschrieben zu haben. Zunächst tut Guttenberg die Vorwürfe als «abstrus» ab, er habe die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt. Später bereut er diese Reaktion und nennt sie «dumm und töricht». Die Universität in Bayreuth erkennt ihm den Doktorgrad ab. Guttenberg habe «in erheblichem Umfang» gegen Zitierpflichten verstossen, heisst es zur Begründung. Nach heftiger öffentlicher Kritik tritt Guttenberg im März 2011 von seinem Amt zurück.
Inzwischen hat er wieder einen Doktortitel. Seine neue Abschlussarbeit reichte Guttenberg 2018 an der Fakultät für Wirtschaft, Recht und Kunst der Southampton Business School ein, die zur dortigen Universität gehört. Titel der Doktorarbeit: «Analyse vom Wesen, Umfang und Bedeutung des Korrespondenzbankwesens und seiner Anwendung in historischen Präzedenzfällen und ausgewählten Fallstudien».
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