Disney streitet mit Floridas GouverneurMicky Maus gegen Ron DeSantis
Der Politiker will den Freizeitpark des Unterhaltungskonzerns stärker kontrollieren, weil dieser ihm zu «woke» ist. Disney reicht Klage ein gegen den Republikaner.
Man weiss nicht genau, wann Floridas Gouverneur seine Präsidentschaftskandidatur bekannt geben wird; es dürfte bald so weit sein. In republikanischen Umfragen liegt er inzwischen weit hinter Donald Trump, zuletzt fiel er auch deutlich weniger auf. Doch nun begleitet ihn ein aussergewöhnliches Duell in den angehenden Wahlkampf: Ron DeSantis gegen Walt Disney.
Sich die Freunde der Micky Maus als Feinde auszusuchen, das hat nicht einmal Trump geschafft. Am Mittwoch verklagte die Firma Walt Disney Parks and Resorts den Republikaner DeSantis sowie die Mitglieder eines Gremiums, das künftig in seinem Auftrag Disney World bei Orlando überwachen soll. Die Kläger werfen dem Gouverneur und seinen Leuten vor, sie wollten den berühmtesten Freizeitpark der Welt mit neuen Regeln überziehen, weil dort frei die Meinung gesagt werde.
Dies sei «eine gezielte Vergeltungskampagne der Regierung», heisst es in der Klage. Wenige Minuten vorher hatte DeSantis alte Bestimmungen für nichtig erklärt und den Betreibern der Anlage somit die historische Selbstverwaltung gestrichen.
Mehr als 50 Millionen Gäste
Disney, so lässt sich zusammenfassend sagen, ist DeSantis zu links. Oder zu woke, wie das heute und vor allem von DeSantis genannt wird. Das ist sein Lieblingsschimpfwort für alles, was irgendwie liberal daherkommt. Ein führender Republikaner mit höchsten Ambitionen also legt sich nicht nur mit einem Konzern an, sondern mit einem Symbol der USA. Das ist selbst für republikanische Verhältnisse eine ungewöhnliche Übung.
Faktisch geht es um Rechte, die zwölf Jahre vor DeSantis Geburt in Kraft traten. 1967 sicherte Florida Disney weitreichende Autonomie zu, um in dem Bundesstaat einen noch grösseren Vergnügungsbezirk entstehen zu lassen als schon in Kalifornien. 1971 wurde eröffnet, seither entwickelte sich Disney World zu einer der beliebtesten Attraktionen Amerikas. Mehr als 50 Millionen Gäste kaufen jedes Jahr die gar nicht billigen Tickets für das Magic Kingdom oder Animal Kingdom mit seinen Schlössern, Rutschen und Seen, von den ruhigeren Zeiten der Pandemie mal abgesehen.
Auf dem Terrain sind 75’000 Menschen angestellt, weitere 13’000 Arbeitsplätze sind geplant. 18 Hotels stehen zwischen den vier Themen- und zwei Wasserparks, dazu Shopping Mall und ein riesiger Sportkomplex. 2022 hat der Konzern Florida 1,2 Milliarden Dollar an Steuern gezahlt.
Eine Art eigenes Verwaltungsgebiet
Disney durfte die Gegend in eine Art eigenes Verwaltungsgebiet verwandeln, mit Steuervorteilen sowie Kontrolle über Strassenbau, Abfallentsorgung, Polizeiarbeit, Feuerwehr, Stromerzeugung, Entwicklungsplanung sowie die Ausgabe von Anleihen. Sondersteuerbezirke gibt es auch anderswo in Florida, zum Beispiel an der Rennstrecke von Daytona und einer ausgedehnten Seniorenwohnanlage in der Nähe von Orlando, aber nicht in einem Ausmass wie bei Disney World.
Die Amtsinhaber im Gouverneursbüro von Tallahassee hatten Jahrzehnte lang nichts dagegen – warum auch, die Comicfiguren bringen Scharen von Touristen und einen Haufen Geld in den Süden. Bis Ron DeSantis kam und der amerikanische Kulturkampf hier unten besonders bizarre Formen annahm.
Disney kritisiert DeSantis’ Gesetz, das sexuelle Aufklärung verbietet. «Zum Streiten», schrieb er Spendern, «haben sie sich den falschen Mann ausgesucht».
DeSantis peitschte ein Gesetz durch, das in Grundschulen Aufklärung über sexuelle Orientierung und Genderidentität verbietet. «Don’t say gay», verspotten seine Gegner die Vorschriften, «sag nicht schwul». Zu jenen, die protestierten, gehörte die erst zurückhaltende Firma Disney, angetrieben von entsetzten Mitarbeitern.
Es sei Ziel des Unternehmens, «dass dieses Gesetz von der Legislative aufgehoben oder von den Gerichten gekippt wird», teilte der Konzern aus seiner kalifornischen Zentrale mit. Walt Disney wurde für DeSantis daraufhin zu «Woke Disney». Wenn Disney streiten wolle, «haben sie sich den falschen Mann ausgesucht», mailte er Spendern. «Es ist mir egal, was Hollywood sagt. Es ist mir egal, was grosse Konzerne sagen. Hier stehe ich. Ich werde nicht zurückweichen.»
Gegen «Firmenkönigreich» und «Vorzugsbehandlung»
DeSantis liess ein Komitee von Vertrauten zusammenstellen, es sollte die verwaltungstechnische Kontrolle über das Gebiet von Disney World übernehmen. Er wolle das «Firmenkönigreich» und die «Vorzugsbehandlung» abschaffen – für Disney ein offenkundiger Racheakt. Doch ehe es losging, einigten sich die Besitzer rasch mit der bisherigen Aufsicht, verlängerten ihre eigenen Rechte für weitere 30 Jahre. Allein im kommenden Jahrzehnt sollen für das Areal 17 Millionen Dollar ausgegeben werden.
Ron DeSantis und seine Parlamentsmehrheit halten das Abkommen zugunsten von Disney allerdings für ungültig, bestimmen solle fortan die von ihnen ausgewählte neue Aufsicht. Sie erwägen nun, unter anderem, die Steuern für Disney zu erhöhen und auf den Strassen des Reviers Maut zu verlangen. DeSantis regt sogar genüsslich an, nebenan ein Gefängnis hinzustellen. Die Möglichkeiten seien endlos.
Auch Republikaner sind irritiert
Das Unternehmen zieht vor Gericht. Der Fall sei klar, «Disney hat seine Meinung zur staatlichen Gesetzgebung geäussert und wurde dann vom Staat dafür bestraft», ist in der Beschwerde zu lesen. Der Gouverneur und die Legislative würden «die Maschinerie des Staates» nutzen, um Disney zu schaden. DeSantis, der gerade durch Ostasien reist, lässt eine Sprecherin ausrichten, die Klage sei «ein weiteres unglückliches Beispiel» für den Versuch, «den Willen der Wähler in Florida zu untergraben» und staatliches Recht zu umgehen. Zahlreiche Bewohner von Florida allerdings halten den Clinch mit Disney World für überflüssig bis geschäftsschädigend, vorneweg natürlich die Unternehmer und Angestellten im Park.
Auch die Mehrheit der Republikaner ist laut Umfragen nicht begeistert von diesem Vorstoss ihrer vorläufigen Nummer zwei. Seine Chancen, in Vorwahlen Donald Trump zu besiegen, sind durch die Schlacht mit dem Reich von Donald Duck voraussichtlich kaum gestiegen.
«Das ist alles so unnötig, ein politischer Stunt», schreibt Trump, der zwar seine eigenen Probleme hat und Linke ebenfalls verachtet, aber DeSantis nicht ausstehen kann. Die republikanische Kandidatin und Gouverneurin Nikki Haley aus South Carolina unterbreitete den woken Herausforderern aus Orlando derweil ein Angebot: «Hey Disney, mein Heimatstaat wird die 70’000+ Jobs gerne annehmen, wenn ihr Florida verlassen wollt.»
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