Diskussion über HygieneartikelZürcher Kantonsrat ist gegen Gratistampons an Schulen
Ein grüner Kantonsrat schenkt einem Kollegen von der SVP eine Rolle WC-Papier, eine SVP-Vertreterin hält einen Tampon in die Höhe. Was ging ab in dieser Ratssitzung?
Dass ein «kleiner Tampon» eine so grosse Diskussion auslöst, das erstaunte den Grünen-Kantonsrat Benjamin Walder aus Wetzikon. Erstaunlich schien ihm zum einen, dass der Kantonsrat am Montagmorgen über sein Postulat über eine Stunde diskutierte.
In diesem verlangt er, dass an öffentlichen Schulen Menstruationsartikel kostenlos abgegeben werden. Denn die Perioden würden eben nicht so periodisch einsetzen, wie der Name es vermuten lasse. Daher könne es für Mädchen und Frauen sehr stressig sein, wenn sie davon überrascht würden.
Erstaunlicher als die Länge der Debatte war aber, welche inhaltlichen Wendungen das Thema nahm. Da war etwa die SVP-Vertreterin Susanne Brunner, die einen Tampon in die Höhe hielt und fand, dass hier gerade etwas gründlich schieflaufe.
Wenn der Staat zuständig sein solle für die Körperhygiene der Schülerinnen sei dies ein erster Schritt zum bedingungslosen Grundeinkommen. Zudem «zerfalle» damit die Gleichstellung: «Indem Schülerinnen eine staatliche Spezialbehandlung erhalten, schaffen Sie die Gleichstellung ab.»
Die FDP-Politikerin Astrid Furrer aus Wädenswil erklärte, dann bräuchte es auch Rasierutensilien oder Deodorants für junge Männer auf den Toiletten und überhaupt: «Sie stellen die Frauen als hilflose Dummchen dar, die mit ihrer Menstruation nicht umgehen können.»
Nur für Studentinnen?
Romaine Rogenmoser (SVP, Bülach) sah das ähnlich: «Seit Jahrtausenden menstruieren die Frauen. Muten Sie ihnen zu, dass sie dies selber bewerkstelligen können.» Zudem würde ein solches Angebot «exorbitante Kosten» verursachen.
Und die Gratisabgabe würde erst noch nur den Studentinnen nützen, ergänzte ihr Parteikollege aus Bauma, Paul Von Euw. Denn die Berufsschülerinnen könnten nur einmal pro Woche, nämlich dann, wenn sie die Schule besuchten, davon profitieren.
Eine Rolle Toilettenpapier
Von Euw hatte sich bereits dezidiert zu dem Postulat geäussert, als es eingereicht worden war: «Hygieneartikel seien von den Konsumenten und nicht vom Staat zu bezahlen.»
Benjamin Walder hat diese Aussage nicht vergessen und argumentierte nun: Wenn der Staat Mädchen und Frauen keine Menstruationsprodukte zur Verfügung stelle, könne er ja auch darauf bestehen, dass man andere Hygieneartikel wie Toilettenpapier oder Seife selbst mitbringen müsse.
Um dies zu verdeutlichen, überreichte er Ratskollege Von Euw als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk eine «privat finanzierte» Rolle Toilettenpapier. «Fünflagig», betonte Walder, da ihm der «Allerwerteste» seines Ratskollegen nicht egal sei.
Für Janine Vannaz (Mitte, Aesch) ist es eine «totale Selbstverständlichkeit», dass in den Schultoiletten genauso wie Toilettenpapier Menstruationsartikel vorhanden sein müssen. Es gehe im Postulat zudem darum, das Thema zu enttabuisieren. «Denn es ist für die Herren der Schöpfung offenbar schwierig, sich vorzustellen, wie das ist, wenn man jeden Monat blutet.»
Leandra Columberg (SP, Dübendorf) versuchte die hochgehenden Wogen zu glätten: «Wir haben offenbar in ein Wespennest gestochen, das die rechte Seite aufwühlt.» Es gehe aber nur um einen kleinen, aber wichtigen Beitrag, um den Schulalltag der Schülerinnen etwas einfacher zu gestalten.
Tampons als «formelles Gleichstellungsthema»
Auch Sandra Bienek (GLP, Zürich) bemühte sich um einen sachlichen Ton: Gratistampons seien «ein klares formelles Gleichstellungsthema». Denn Mädchen und Frauen seien nun einmal zwischendurch gezwungen, auf öffentlichen Toiletten einen Tampon oder einen anderen Menstruationsartikel zu wechseln.
Doch in ihrer Partei herrschte dazu Uneinigkeit. Claudia Frei aus Uster sah Mädchen und Frauen durch das Postulat als Opfer hingestellt, die nicht in der Lage seien, eigenverantwortlich mit ihrer Menstruation umzugehen. Weiter fand sie: Menstruation ist kein Thema, das öffentlich verhandelt wird – ausser im Kantonsrat Zürich.
Das wäre auch gar nicht nötig gewesen, konterte Benjamin Walder. Denn der Regierungsrat hatte sich ursprünglich bereit erklärt, das Postulat zu übernehmen. Die FDP aber hatte die Diskussion verlangt.
Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) sass indes an ihrem Platz – und wünschte das Wort nicht. Sie muss sich ohnehin nicht weiter offiziell zu dem Thema äussern, denn das Postulat wurde mit 86 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung nicht überwiesen.
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