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Digitale Glaubensfragen
Streiten Sie mit: Handyhülle oder nicht – und weitere Fragen

BERLIN, GERMANY - DECEMBER 21:  Maxilie Mlinarskij with red nail polish and with a Chiara Ferragni The Blonde Salad flirting iphone cover on December 21, 2016 in Berlin, Germany. (Photo by Christian Vierig/Getty Images)
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Ein Bild mit einem Wasserglas – mit 15 Millionen Views und mehr als 6000 Kommentaren. Und der lakonischen Bemerkung, das sei der Beweis, «dass Menschen über alles streiten». Das ist ein entlarvendes Meme auf Twitter. Und natürlich eine Aufforderung, die lustvolle Komponente solcher Onlinedebatten nicht aus den Augen zu verlieren. Zumal sich in der digitalen Welt über alles streiten lässt:

Handyhüllen: Rundumschutz oder Geldmacherei?

Handyhüllen haben offensichtliche Vorteile: Sie schützen das Gerät bei Stürzen und Stössen und verhindern Kratzer. Aber sie machen es schwerer, dicker, und die Varianten mit Deckel müssen aufgeklappt werden, selbst wenn wir nur kurz eine Benachrichtigung auf dem Display lesen wollen. Sie sind oft im Weg, erhöhen die Gefahr eines Hitzestaus, weil sie die Wärmeableitung behindern. Und sind sie nicht einfach Geldmacherei?

Der grösste Zankapfel ist allerdings die Ästhetik: Die Hülle macht aus einem 08/15-Gadget ein individuelles Accessoire, finden die einen. Sie verschandeln das Design, behaupten die anderen. Und wie sollte ein Kompromiss aussehen? Die Hülle nur an Werktagen, an Sonn- und hohen Feiertagen aber nackt?

Hintergrundbild: Individualistisch oder diskret?

Bei mir beschleunigt sich der Puls bei einer ganz anderen Frage: nämlich bei den Bildern, mit denen sich die Leute ihren Sperrbildschirm, vor allem aber ihren Homescreen und den Desktop-Hintergrund verschandeln. Es gibt jene, die die Pubertät nie gänzlich hinter sich gelassen haben und die diese Personalisierungsmöglichkeit dazu nutzen, die Tradition der Pin-up-Bilder digital fortzusetzen. Vor allem Gamer-PCs scheinen mir anfällig für derlei Sexismus zu sein.

396959 01: A man walks past a Microsoft billboard featuring its latest software, Windows XP, at the entrance of a conference center November 7, 2001 in Beijing. Microsoft will hold a press conference on November 9 in Beijing to introduce the Chinese version of the software. (Photo by Kevin Lee/Getty Images)

Aber es gibt doch auch ganz harmlose Motive? Kitschiger Fantasy-Kram, Fotos von Autos, Motorrädern oder Palmenstränden, Tieren oder Promis. Doch sie alle haben ein Streitpotenzial, wenn wir uns überlegen, ob der Computerdesktop ein privater oder ein öffentlicher Raum ist. Und nein, er ist nicht mehr privat, wenn der Laptop manchmal an einen Beamer angeschlossen oder im Zoom-Meeting eine Bildschirmfreigabe nötig wird – oder auch nur, wenn im Grossraumbüro die Kollegen einen Blick darauf erhaschen. Der Grat zwischen persönlichem Ausdruck und Umweltbelästigung ist schmal.

Desktop: Aufgeräumt oder überquellend?

Damit verbunden ist die Frage, wie aufgeräumt der Desktop sein sollte. Manche Nutzerinnen und Nutzer finden es praktisch, dort Dokumente und Dateien zu lagern – weil sie dann nicht in Ordnern und Unterordnern danach suchen müssen und weil man sogleich sieht, womit man sich noch beschäftigen sollte. Den Freunden einer klaren Verzeichnisstruktur ist das ein Graus: Sie hegen einen unmittelbaren Messie-Verdacht, wenn jemand sein Dokument nicht nach Projekt oder Dringlichkeit verräumt.

Wo war doch gleich noch mein Word-Dokument?

Homescreen: Ordner oder wildes Chaos?

Oder am Handy: Werden Apps nun in Ordner versorgt, damit sich der Homescreen übersichtlich präsentiert? Oder ist es egal, wenn sich die Icons chaotisch über Seiten und Seiten verteilen? Da gibt es einerseits die Leute, die in das Limit von fünfzehn Homescreen-Seiten gelaufen sind, das beim iPhone gilt. Für andere ein Zeichen, dass jemand die Kontrolle über sein digitales Leben verloren hat. Doch eines ist klar: Der Homescreen respektive der Desktop ist die Domäne, in der sich niemand dreinreden lässt – anders als in der Partnerschaft, wo irgendeine Form der Einigung erzielt werden muss, wie aufgeräumt die Wohnung denn sein sollte.

Es gibt noch viele weitere solcher Fragen: ob ein Bildschirmschoner die Fantasie beflügelt oder als nutzloses Relikt der Vergangenheit bloss unnötig Akku frisst. Ob die Ringe der Apple Watch für Motivation sorgen oder eine übergriffige Form der Bevormundung darstellen. Oder ob der Kauf eines Druckers als Eingeständnis gewertet werden darf, dass jemand am papierlosen Büro gescheitert ist. Ganz abgesehen von den echten Glaubensfragen: Windows oder Mac? iPhone oder Android? Google Chrome oder Firefox? Duck Duck Go oder Google? Touchpad oder Maus? Eines ist aber klar: Die digitale Sphäre ist ein Ort, in dem der Libertarismus gelebt wird.