Die Redaktion erinnert sichDiese verflixte Winterzeit
Heute Nacht wird an der Uhr gedreht: Während einige ob dieser Tatsache ins Schleudern geraten, verstehen andere die Aufregung nicht.
Wenn es zu früh dämmert
Gegen die Winterzeit habe ich eine tiefe Abneigung entwickelt, als ich Kinder bekam. Es wurde uns einfach zu früh dunkel. Ich ging mit den Kleinen am Nachmittag gern an die frische Luft, zum Spielen, Spazieren, Entdecken und vor allem, damit sie sich draussen austobten und nicht in der Wohnung. Doch nach der Zeitumstellung waren unsere Nachmittagsausflüge jeweils nur beschränkt ein Vergnügen. Nicht wegen der Kälte, wir waren ja warm eingepackt. Sondern wegen der verschobenen Zeit. Meine Kinder benötigten einen Mittagsschlaf. Wenn sie wach, angezogen und endlich bereit waren fürs Abenteuer, fing es bereits an zu dämmern, noch bevor wir aus dem Haus kamen. Ein Jammer, denn man weiss ja, dass im Winter Sonnenstrahlen auf der Haut die Knochen stärken und die Stimmung heben. Zudem war die Chance der kleinen Wildfänge geschrumpft, sich noch mit anderen Kindern auf dem Spielplatz vergnügen zu können. Meine Kinder sind dem Kleinkindalter längst entwachsen, meine Abneigung gegen die unangebracht frühe Dunkelheit ist jedoch geblieben. Daniela Haag
Das Highlight in der dunklen Jahreszeit
Alle Jahre wieder stellen wir die Uhren Ende Oktober eine Stunde zurück – und daran scheiden sich die Geister. Für mich ist der Wechsel zur Winterzeit immer eines der Highlights des Jahres. Denn sie beschert mir eine zusätzliche Stunde Schlaf. Gleichzeitig ist es morgens, wenn der Wecker klingelt, wieder etwas heller, und ich habe nicht mehr das Gefühl, mitten in der Nacht aus den Federn kriechen zu müssen. Ganz nebenbei sorgt die Zeitumstellung auch dafür, dass meine Ofenuhr wieder stimmt. Ein weiterer Grund für meine Freude über die Winterzeit ist das jeweils grosse Leiden rund um den Wechsel zur Sommerzeit Ende März oder, wie ich es nenne, «den Jetlag des Schreckens». Zugegeben, das ist etwas melodramatisch, aber schliesslich verliert man eine Stunde und war dafür noch nicht mal in den Ferien. Das ist nicht zu unterschätzen, und ich werde wohl nie richtig verstehen, warum wir uns einmal im Jahr Zeit stehlen lassen. Während ich mich also in den ersten Wochen der Sommerzeit wie gerädert fühle und der «gestohlenen» Stunde nachtrauere, geht mein Herz am letzten Oktoberwochenende auf. Francesca Prader
In bester Laune aufstehen
Zeitumstellungen sind schon per Definition etwas, das in mir ein Unbehagen auslöst. Wieso muss eine Zeit überhaupt umgestellt werden, wenn sie doch auch ohne unser Zutun immer wieder Sprünge macht, einmal schnell und hektisch, dann wieder langsam und träge fliessend? Die Frage ist leider müssig, denn den Zeiger zweimal im Jahr um eine Stunde vor- oder zurückzustellen, ist mir mittlerweile so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich längst keine Fragen mehr über Sinn oder Unsinn stelle und das lästige Prozedere einfach so schnell wie möglich und mit so wenig Handgriffen wie möglich abwickeln will. Dazu nehme ich mir am Vorabend der Umstellung vor dem Zu-Bett-Gehen die wichtigsten Uhren zur Brust und stelle sie auf die neue Zeit ein. Tönt langweilig, ist es wahrscheinlich auch, aber dafür stehe ich zur rechten Zeit und in bester Laune auf. Ausser ich muss – wie auch schon geschehen – in meiner Eilfertigkeit feststellen, dass ich mit meiner Pflichterfüllung eine Woche zu früh dran gewesen bin. Thomas Schär
Vor oder zurück?
Dass im Frühling und im Herbst die Uhren jeweils verstellt werden, haben mir meine Eltern schon früh beigebracht. Voller Stolz verstellte ich darum jeweils meinen Wecker selbst. Das Problem: Ich konnte mir nicht so recht merken, wann jetzt die Uhren vor- und wann zurückgestellt werden. So kam es, dass ich mit etwa vier oder fünf Jahren morgens um halb neun ins Zimmer meiner Eltern trampte, verwundert, was die noch immer im Bett machten. Normalerweise waren sie um diese Zeit schon mindestens eine Stunde auf. Ungeduldig weckte ich also meine Mami und meinen Papi. Beide waren ziemlich verwirrt, es sei doch noch viel zu früh. Ich erinnerte sie stolz daran, dass Zeitumstellung war. Da dämmerte meiner Mutter, was passiert war. Sie fragte mich, ob ich den Wecker eine Stunde zurückgestellt hatte? Nein, eine Stunde vor. Meine Mutter musste mir dann erklären, dass das falsch war. Statt halb neun war es erst halb sieben. Seither muss ich zwar immer mal wieder überlegen, ob die Uhr nun vor- oder zurückgestellt wird. Aber nie mehr bin ich deshalb zwei Stunden zu früh irgendwo aufgetaucht. Luzia Nyffeler
Ein Sonntag, der in Erinnerung bleibt
Dass die Uhren Jahr für Jahr am letzten Sonntag des Oktobers zurückgestellt werden, trifft viele mit derselben Regelmässigkeit völlig überraschend. Seit ich die Zeitumstellung im Jahr 2008 aber zum ersten Mal so richtig realisiert und damit fürchten gelernt habe, kenne ich dieses Datum besser als manchen Geburtstag von Freunden. Denn zuverlässig am selben Tag finden im Kanton Zürich jährlich die Jugend-Meisterschaften im Vereinsturnen statt. Kurz vor meinem achten Geburtstag durfte ich zum ersten Mal daran teilnehmen. Ich war schon während Tagen aufgeregt, und umso entschlossener marschierte ich am besagten Sonntagmorgen Richtung Bahnhof los. Die Besammlung unserer Gruppe war für 7 Uhr geplant, vor dem Stäfner Kiosk war jedoch niemand ausser einer Bahnhofsuhr, die ich leider noch nicht lesen konnte. Tränenüberströmt wieder zu Hause, wussten dann auch meine Eltern über die Zeitumstellung Bescheid. Heute, vierzehn Jahre später, fallen Zeitumstellung und Kantonalmeisterschaft noch immer zusammen. Und ich habe es – mittlerweile als Trainerin – bisher noch kein einziges Mal erlebt, dass in der Wettkampfhalle deswegen keine Tränen geflossen sind. Dafür leben nun viele «Turnerkinder» mehr im Kanton, die das Datum der Zeitverschiebung wohl nicht mehr so schnell vergessen werden. Zora Rosenfelder
Die Uhrzeit – eine anmassende Erfindung
Eine Stunde ist so unbedeutend wie ein Regentropfen, der in einen Ozean fällt. Und doch rechnen wir der verlorenen oder gewonnenen Stunde beim Zeitumstellen auf solch überschwängliche Weise eine Bedeutung zu, wie es nur eine weit entwickelte Zivilisation tun kann – und, um Chaos zu verhindern, wohl auch tun muss. An den meisten Tagen nehmen wir die Regeln der Uhren stoisch hin und formen unsere Alltage aus ihnen. Nur alle paar Monate, wenn die Jahreszeiten dem irdischen Zeitkonstrukt in die Quere kommen, zeigt sich der Makel in der scheinbaren Perfektion. Und wir beginnen uns über gewonnene Stunden zu freuen und verlorenen nachzutrauern. Doch was ist eine Stunde im Vergleich zum Funkeln der Sterne, das Jahrmillionen überdauert? Was ist eine Stunde im Vergleich zum Alter der Galaxien, das über 13 Milliarden Jahre beträgt? Was ist eine Stunde im Vergleich zur Zukunft unserer aller Materie, die erst in 1036 Jahren – eine Zehn mit 36 Nullen – enden wird? Vor diesem Kontext wird unsere Uhrzeit zur anmassenden Erfindung, um einer für uns unfassbaren und nicht messbaren Grösse Ordnung einzuverleiben. Deshalb denken Sie morgen beim Erwachen daran: Es ist egal, ob es 8 oder 9 Uhr ist. Es ist einfach Zeit, aufzustehen und das kurze Leben zu geniessen. Daniel Hitz
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