Ende einer MännerbastionDiese Römerin sitzt jetzt über den Weltnews
Alessandra Galloni wird erste Chefredaktorin der grossen internationalen Nachrichtenagentur Reuters. Eine solche Karriere wäre in Italien wohl nicht möglich gewesen.
Wieder fällt eine Männerbastion, nach 170 Jahren. Die grosse internationale Nachrichtenagentur Reuters hat erstmals seit ihrer Gründung 1850 eine Frau zur Chefin gemacht, und wenn man sich nun in Italien ganz besonders darüber freut, fast ein bisschen provinziell patriotisch, dann hat das mit ihrem Geburtsort zu tun: Die Wirtschaftsjournalistin Alessandra Galloni, 47 Jahre alt, ist in Rom zur Welt gekommen.
Karriere aber hat sie im Ausland gemacht, das war wohl auch einfacher – in der italienischen Medienwelt sind Frauen in führenden Positionen nämlich noch seltener als anderswo. In den grossen italienischen Zeitungen zum Beispiel sitzen auf den Chefstühlen und in den Büros der wichtigsten Kommentatoren oftmals ältere, manchmal auch sehr alte Herren. «Orgoglio italiano», twitterte Enzo Amendola, Italiens Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, italienischer Stolz. Dazu die Trikolore.
2450 Journalisten an 200 Standorten
Galloni folgt auf Stephen J. Adler, der zehn Jahre lang Chefredaktor von Reuters war und in Rente geht. Sie wird nun einer Redaktion vorstehen mit 2450 Journalisten an 200 Standorten, verteilt über den ganzen Globus. Reuters betont, dass sie eine «extensive, globale Suche» durchgeführt habe, intern und extern, und sich dann für eine herausragende Kandidatin aus dem Haus mit einer «überzeugenden Vision für die Zukunft von Nachrichten» entschieden. Galloni war bisher Global News Editor, zuständig für die Korrespondenten. Man erwartet von ihr, dass sie das Geschäft weiterentwickelt, eine neue Website lanciert und, natürlich, Kosten senkt.
Mit seinem Newszweig setzte der Mutterkonzern Thomson Reuters Corp. im vergangenen Jahr 628 Millionen Dollar um. Der Gewinn lag bei 73 Millionen Dollar, was als recht dünn gilt. Man steht hauptsächlich in Konkurrenz mit Bloomberg News auf dem Gebiet der Wirtschaftsinformationen, mit Associated Press und der Agence France Presse für die allgemeinen Nachrichten und mit Getty Images bei den Fotos.
Rom, London, Paris – eine internationale Karriere
Bei Reuters News findet man, gerade das vergangene Jahr habe gezeigt, wie wichtig unabhängige und unparteiische Berichterstattung in Krisenzeiten sei. Doch immer wieder gibt es Gerüchte, der Konzern könnte das Newsgeschäft, das für etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes steht, bald verkaufen wollen.
Der viersprachigen Chefredaktorin eilt der Ruf voraus, eine charismatische Persönlichkeit zu sein, beliebt bei den Kollegen. Galloni studierte Rechtswissenschaft in Harvard und legte einen Master an der London School of Economics nach, bevor sie für den italienischen Service von Reuters zu arbeiten begann. Dann wechselte sie für 13 Jahre als Wirtschaftsreporterin zum «Wall Street Journal», für das sie in Rom, London und Paris stationiert war.
Mit einer Pleite bekannt geworden
Bekanntheit erlangte sie 2004 mit ihrer Berichterstattung über die spektakuläre Pleite des emilianischen Milchkonzerns Parmalat, für die sie ausgezeichnet wurde. 2013 kehrte sie zu Reuters zurück, war zunächst für Südeuropa zuständig und stieg dann auf in die Managementetage. Sie fühle sich geehrt, den «besten Newsroom der Welt» zu leiten, sagte Galloni nach ihrer Berufung.
Sie wird weiterhin in London leben und arbeiten wollen, obschon Reuters ihren Hauptsitz in New York hat. Liegt ja auch näher bei der Heimat.
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