Datenauswertung zu ArbeitskräftenDiese Kantone und Gemeinden sind am stärksten von Grenzgängern abhängig
Pendlerinnen aus dem Ausland werden für die Schweizer Wirtschaft immer wichtiger. Woher sie kommen, wo sie arbeiten und welche Regionen nicht mehr auf sie verzichten können.
Die Situation der Grenzgängerinnen und Grenzgänger war seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie immer wieder Thema. Zeitweise mussten sie am Zoll ihre Arbeitserlaubnis vorzeigen, einreisen durften sie aber immer. Denn viele Schweizer Firmen sind auf sie angewiesen. Insgesamt machen die Grenzgänger zwar nur 6,7 Prozent aller Erwerbstätigen aus – in manchen Kantonen beträgt ihr Anteil jedoch über 20 Prozent, in einzelnen Gemeinden sogar über 60 Prozent.
Am stärksten angewiesen auf diese Arbeitskräfte sind die Kantone Tessin (29 Prozent) und Genf (24 Prozent), wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Gemeindedaten gibt es bis jetzt nur von 2018. Damals arbeiteten in den Städten Genf (36’000), Basel (34’000) und Lugano (14’000) am meisten Grenzgänger. Den grösseren Anteil machten sie aber in kleinen Grenzgemeinden aus, wo sie mancherorts mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen stellten. Und daran hat sich seither kaum etwas geändert.
Als letzten Sommer über eine Quarantänepflicht für Grenzgängerinnen und Grenzgänger debattiert wurde, warnte der Genfer Gesundheitsdirektor Mauro Poggia vor einem Kollaps der Wirtschaft: «Das lässt sich unmöglich umsetzen. Unser Kanton hängt viel zu sehr von Arbeitskräften aus dem Grenzgebiet ab.» Über 90’000 Personen passieren in Genf täglich die Grenze, der Grossteil kommt aus Frankreich.
Das ist auch schweizweit so. Aktuell stammt mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Grenzgänger aus Frankreich, die meisten arbeiten in den Kantonen Genf und Waadt. Die beiden Basel ziehen ebenfalls viele Franzosen an, aber auch fast gleich viele Deutsche. Nach Italien (23 Prozent), von dem in erster Linie das Tessin profitiert, ist Deutschland (18 Prozent) der drittwichtigste Herkunftsstaat. Österreich und Liechtenstein mit eingerechnet, stammen praktisch alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus einem Nachbarland.
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Die Anteile der Herkunftsländer haben sich in den letzten 25 Jahren kaum verändert. Doch die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger hat sich mehr als verdoppelt – von 140’000 auf 344’000. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen ist von 3,6 auf 6,7 Prozent gestiegen. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist die Schweizer Wirtschaft fast stetig gewachsen, zum anderen gab es eine schrittweise Liberalisierung des Arbeitsmarktes.
2002 wurde die Personenfreizügigkeit eingeführt, dank der Grenzgänger unter anderem nicht mehr täglich, sondern nur noch wöchentlich in ihre Heimat zurückkehren mussten. 2004 wurden der Inländervorrang und die Lohnkontrolle abgeschafft. Und ab 2007 mussten Personen aus EU/Efta-Staaten nicht mehr in einer definierten Grenzzone rund um die Schweiz wohnen.
Im Zuge dieser Öffnung ist die hiesige Wirtschaft abhängiger geworden von diesen Arbeitskräften, besonders im verarbeitenden Gewerbe und bei der Herstellung von Waren. In der Basler Chemie- und Pharmabranche etwa stellen die Grenzgänger jeweils fast 10 Prozent der Erwerbstätigen. In der Uhrenbranche der Kantone Jura und Neuenburg beträgt ihr Anteil sogar über 19 respektive 23 Prozent.
Im Tessin leben vor allem der Detailhandel und die Baubranche von den «Frontalieri» aus Italien. In Genf arbeiten viele Grenzgängerinnen in Stellenvermittlungsbüros (gehört zu «Sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen»), als Babysitter («Private Haushalte») und im Gesundheitswesen. 40 Prozent der Mitarbeitenden der Genfer Universitätsspitäler wohnen in Frankreich. Darunter sind auch viele Schweizer, die ennet der Grenze leben und von tieferen Immobilien- und Lebenskosten profitieren.
Zu den Branchen, die auf Grenzgänger angewiesen sind, gehören auch das Gastgewerbe und die Gastronomie. Insgesamt sind 67 Prozent im Dienstleistungssektor tätig und 32 Prozent in der Industrie. Besonders für Letztere sind die Arbeitskräfte unentbehrlich, machen sie doch 7,4 Prozent aller Erwerbstätigen aus.
Im vergangenen Jahr hat sich das Wachstum der Anzahl Grenzgängerinnen und Grenzgänger allerdings verlangsamt, sehr wahrscheinlich wegen der Corona-Pandemie. Doch die Schweizer Wirtschaft hat sich schneller erholt als erwartet und steht jetzt am Anfang eines kräftigen Aufschwungs. Zu diesem tragen auch die 344’000 Pendlerinnen und Pendler bei, die Tag für Tag über die Grenze kommen.
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