Kameras bei SelbstbedienungsladenBauern rüsten gegen Diebe auf
Hofläden erfreuen Wanderer und Ausflügler. Doch bezahlt wird längst nicht immer – sogar Einheimische greifen heimlich zu, wie eine Bäuerin erzählt.
- Landwirte rüsten technisch auf, um Diebstähle in Hofläden mit Selbstbedienung zu minimieren.
- Ein Biohof in Teufen AR setzt auf Kameras und ein neues Zahlungssystem.
- Selbst Stammkunden, Leute aus dem Dorf, zahlen nicht alles.
Einen Hungerast muss heute kein Wanderer mehr erleiden: In den Bergen oder im Flachland, überall steht ein Hofladen mit Selbstbedienung am Wegesrand, manchmal auch nur ein Kühlschrank, gefüllt mit Alpkäse, Trockenfleisch und Bergblütenhonig. Produkte, die in den Rucksack passen – und ihren Preis haben. Daneben ein Kässeli samt Taschenrechner.
Wird das Vertrauen der Landwirte belohnt – oder auch mal missbraucht? Dass ein Mutschli oder ein Mostbröckli nicht bezahlt werden, dass Geld aus der Kasse genommen oder ein zu geringer Betrag hineingelegt wird, diese Erfahrung müssen alle Bauersleute machen, die einen Selbstbedienungsladen führen. Viele hätten ihr Lädeli deshalb wieder aufgegeben, schreibt die Zeitung «Schweizer Bauer» und empfiehlt den Landwirten, ihr Sortiment mit Zahlautomaten, Produktscanner, Videoüberwachung, selbst mit Security-Personal zu schützen.
Aufgerüstet haben die Betreiber eines Hofladens in Teufen im Appenzellerland. Gleich vier Kameras überwachen ihre Auslage und den Parkplatz. Nicht ohne Grund: Immer wieder werden sie bestohlen. Einmal wurde das gesamte Sortiment geplündert, «alles, was sie tragen konnten», sagt die Bäuerin, selbst der Opferstock, die Kasse mit Schlitz, kam weg. Der letzte grössere Diebstahl passierte im August, Esswaren im Wert von 150 Franken wurden erbeutet. Namentlich genannt werden möchte die Bäuerin nicht. Es soll wieder Ruhe einkehren.
Der Biohof verkauft eigene Produkte sowie Saisonales auch von anderen Bauernfamilien aus der Gegend. Ein grosses Angebot, dekorativ und gluschtig präsentiert: Bio-Rindfleisch, Freilandeier, Käse, Konfitüren, Trockenfrüchte, Süssmost, Gemüse, Beeren, Nüsse, knuspriges Brot und ofenfrische Butterzöpfe, aber auch hausgemachte Teigwaren und Blumensträusse.
Kommastellen werden verschoben
Der Laden steht direkt an der Hauptstrasse, täglich zwischen 8 Uhr morgens und 8 Uhr abends ist er geöffnet – immer mit Selbstbedienung. «Ich habe keine Zeit, im Laden zu stehen», sagt die Bäuerin, zwischendurch macht sie einen Kontrollgang, putzt den Boden, wenn mal wieder ein Ei zu Bruch gegangen ist.
Vor drei Jahren hätten sie ein neues Zahlungssystem eingeführt: Die Artikel werden eingescannt, der Preis wird berechnet. Die Ausrede, «ich habe falsch zusammengezählt», gilt nicht mehr. In all den Jahren habe sie feststellen müssen: «Es gibt sehr viele Leute mit einer Rechenschwäche», sagt sie leicht sarkastisch.
Bezahlt werden kann heute auch mit Twint, die Bezahlung via Handy hat den Vorteil, dass kein Wechselgeld mehr nötig ist. Betrügen könne man natürlich nach wie vor, weiss die Bäuerin nur zu gut: Indem man Artikel nicht erfasst. Oder indem man bei der Überweisung mit Twint die Kommastelle verschiebt und so zum Beispiel statt 37.50 bloss 3.75 Franken zahlt. Natürlich geschah es nie mit Absicht, wird ihr jeweils versichert.
An einem guten Sommerwochenende würden mehr als 100 Kundinnen und Kunden vorbeikommen, an normalen Tagen rund 60. Es sei zwar nur ein Nebenerwerb, aber dahinter stecke sehr viel Arbeit, betont die Bäuerin. Vier Kameras zeichnen nun also alles auf. Wenn sich in ihren Augen jemand seltsam benommen hat, wenn der Mann beim Vorbeifahren auf dem Traktor «komische Gesellen» im Laden bemerkt, wenn sie glaubt, es sollte doch mehr Geld in der Kasse sein, dann schaue sie sich die Aufzeichnung an.
Auch Stammkunden betrügen
Und stellt schliesslich fest: Unter den Dieben ist «jede Gattung» vertreten. Vom Gutbetuchten, der mit dem Tesla vorfährt, bis zum Drogensüchtigen, der gerade aus der nahe gelegenen Strafanstalt Gmünden entlassen wurde. Was die Bäuerin aber besonders erschüttert: In den meisten Fällen kennt sie die Langfinger. Sogar Stammkunden, die den Laden doch so schätzen, zahlen nicht alles. Selbst Menschen aus ihrem Dorf. Manche konfrontiert sie dann mit dem Verdacht, einer Frau sei sie sogar hinterhergefahren, «auch sie hat versucht, sich herauszureden, niemand gibt den Diebstahl zu».
Fotos und Namen zu veröffentlichen, verdächtige Personen an den Pranger zu stellen, das ist verboten. Ab und zu jedoch schreibe sie auf Facebook: «An die Person in der gelben Regenjacke: Subito zahlen, sonst gibts eine Anzeige!» In der Regel aber geht die Hofladen-Besitzerin mit der Videoaufzeichnung auf den Polizeiposten. Die Polizei habe bisher alle Diebe gestellt, «wir kamen immer zu unserem Geld».
Wer gestohlen hat, dem erteilt die Bäuerin ein Hausverbot. Selbstverständlich sei es den Betroffenen peinlich, «sie gehen mir fortan aus dem Weg». Das Schlimmste aber sei der Vertrauensbruch, «man traut niemandem mehr, man verdächtigt alle, das geht an die Psyche».
Einmal jedoch habe sie sich zu früh aufgeregt: Sie entdeckte vier gleichmässig angeknabberte Appenzeller Pantli im Kühlschrank, «jetzt fressen sie mir noch die Würste im Laden weg», habe sie gedacht und die Videoaufnahmen konsultiert: Sie zeigten einen kleinen, hungrigen Buben, der seinen Hals nach den aufgehängten Würstli streckt. Die Bäuerin benachrichtigte die ahnungslose Mutter des Jungen, die sich hundertmal entschuldigte.
Mit Videoaufzeichnungen kann Landwirt Curdin Cabalzar nicht dienen, eine Kamera ergibt für ihn keinen Sinn. Sein Hofladen besteht aus einem Holzschrank mit Schlechtwetterdach und Blumentrog daneben. Der Schrank steht auf der Alpwiese, direkt neben dem Parkplatz in Riein in der Gemeinde Ilanz, 1270 m ü. M., Ausgangspunkt für Wanderungen und Skitouren.
Der Selbstbedienungsschrank ist immer offen, «24/7», wie der Bündner Bauer sagt. Er ist gefüllt mit Leckerbissen, die er zusammen mit anderen Produzenten aus der Umgebung anbietet. Seit zwei Jahren steht der Schrank – noch nie sei etwas gestohlen worden, sagt Cabalzar. Generell würden die Naturfreunde sogar aufrunden, wenn sie bar ins Kässeli bezahlten. Dieses ist angeschraubt, daneben steht ein Behälter mit Münz zum Wechseln, einmal sei das Münz stibitzt worden, «ein Kinderstreich», sagt er.
30 bis 40 Franken Einnahmen pro Tag
Diesen Sommer fand der Landwirt allerdings einen Zettel neben der Kasse: Eine Frau schrieb, sie habe Produkte für 60 Franken genommen, sie werde später mit Twint bezahlen. Sie schickte liebe Grüsse, ihren Namen konnte er dann jedoch keiner Überweisung zuordnen.
Im Herbst verkauft Cabalzar vor allem Alpkäse, Trockenfleisch und Apfelschnitze, der ideale Wanderproviant. Eier gehen auch immer weg, einzig das Gebäck sei etwas problematisch, «bei schlechtem Wetter muss ichs selber essen». Der Schrank sei zwar mit Arbeit verbunden, besonders das Verpacken der 300-Gramm-Käsemocken gebe zu tun, aber die Leute seien dankbar für einen Zvieri nach der Wanderung, nicht zuletzt weil dem Dörfchen ein Beizli fehlt.
Im Schnitt rechnet Landwirt Cabalzar mit Einnahmen von täglich 30, 40 Franken – «einen Ferrari kann ich mir davon nicht kaufen». Aber der Subaru leistet dem Bauern sowieso bessere Dienste.
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