Die wichtigsten Antworten zum Wahlchaos in Iowa
Stundenlange Debatten, mehrere Wahlgänge – kein Ergebnis. Was das Debakel in Iowa für die Demokraten bedeutet und für Trump.
Die US-Vorwahlen der Demokraten sind das politische Ereignis zum Jahresbeginn. Es geht um nicht weniger als die Frage, welcher US-Demokrat Präsident Donald Trump herausfordern soll. Gespannt blickte man deshalb nach Iowa, wo die erste Wahl stattfand. Und sah erst mal: kein Ergebnis. Die Demokratische Partei gibt damit zu Beginn der heissen Wahlkampfphase ein überaus chaotisches Bild ab. Donald Trump feiert das bereits als ersten Sieg.
Wieso gibt es noch kein Ergebnis?
Noch ist das nicht genau bekannt. Wohl um Gerüchten vorzubeugen erklärte die Partei aber schon, welche Ursachen auszuschliessen sind. Es handle sich weder um einen Hackerangriff noch um eine andere Art der Manipulation, sagte Troy Price, Chef der Demokraten in Iowa. Die Systeme bräuchten einfach «länger als erwartet». Mit anderen Worten: Es gab Pannen. Berichten zufolge hatte die Partei zur Auswertung der Stimmen eine App eingesetzt, die nicht ausreichend getestet war. Parteifunktionäre aus den einzelnen Bezirken berichteten, es sei ihnen nicht möglich gewesen, ihre Ergebnisse an die Zentrale in Des Moines weiterzuleiten. Bereits in früheren Vorwahlen hatte es Kritik gegeben, weil Ergebnisse nicht immer eindeutig nachvollziehbar waren. Die Stimmabgabe soll 2020 besonders transparent sein, die Partei nutzt darum diesmal ein überarbeitetes, aber noch komplizierteres Auswertungsverfahren.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Was ist über die eingesetzte App bekannt? Die neue App wurde kurzfristig eingeführt, um eine schnellere Weiterleitung der Daten aus den 1700 Caucus-Orten zu gewährleisten. Mittlerweile haben mehrere Medien bestätigt, dass die abgestürzte App von der Firma Shadow hergestellt wurde. Diese erhielt letzten November und Dezember rund 60'000 Dollar von der demokratischen Partei, um die App zu entwickeln. Die Partei versuchte allerdings, den Namen der Firma geheim zu halten. Wer Shadow führt, wird auf der Webseite nicht ausgewiesen. Offenbar gab es schon vor den Vorwahlen Bedenken, dass die App nicht funktionieren könnte. So haben Delegierte letzten Donnerstag Probleme gemeldet, welche nicht gelöst werden konnten. Zur App habe es keine Schulungen gegeben, zudem hätten viele lokale Vorwahlveranstalter diese gar nicht herunterladen oder aktivieren können, schreibt die Washington Post. Sicherheitsexperten bemängeln, dass die App hastig programmiert und nicht getestet wurde. Das Ministerium für Innere Sicherheit habe das Programm nicht evaluiert und nicht abgenommen, sagte deren Sicherheitschef der New York Times.
----------
Die Demokraten sind bis auf die Knochen blamiert
Die erste Vorwahl in Iowa endet in einem Chaos. Darüber kann sich nur einer freuen: Donald Trump (hiergeht es zur Analyse).
----------
Warum ist es so schwierig, ein paar Stimmzettel auszuzählen?
Es gibt gar keine Stimmzettel im eigentlichen Sinn. Iowas Vorwahlen laufen im sogenannten Caucus-Verfahren ab. Die Caucuses sind Bürgerversammlungen in Schulen, Feuerwachen, Gemeinden. Die Bewohner eines Wahlkreises treffen sich dort, diskutieren zunächst über die Eignung der einzelnen Kandidaten. Dann wird in zwei Wahlgängen abgestimmt. Beim zweiten Wahlgang stehen nur noch Kandidaten zu Auswahl, die in der ersten Runde mehr als 15 Prozent der Stimmen erzielt haben. 15 Prozent ist in den meisten Vorwahlen die Hürde, die ein Kandidat nehmen muss, um überhaupt Delegiertenstimmen für den Parteikongress im Juli zu gewinnen, auf dem dann der Präsidentschaftskandidat gekürt wird. Ein Caucus kann mehrere Stunden dauern. Bei dem unübersichtlichen Verfahren kam es schon früher zu Pannen. 2012 gewann Mitt Romney erst die republikanischen Vorwahlen in Iowa – 16 Tage später wurde ihm der Sieg wieder aberkannt, weil sich herausstellte, dass sein Konkurrent Rick Santorum mehr Stimmen geholt hatte.
Was bedeutet das Debakel für die Demokraten und für Donald Trump? Die Medien in den USA sind sich für einmal einig: Das Wahldebakel in Iowa spielt dem amtierenden US-Präsidenten in die Hände, anstatt auf seinen Amtsenthebungsprozess in Washington schaut die Welt nun auf das Chaos seiner Gegner. Trump dürfte die Peinlichkeit in seinem Wahlkampf noch genüsslich ausschlachten (lesen Sie hier: Nur einer kann sich über das Debakel freuen). Für die Demokraten ist es somit ein desaströser und beschämender Start in das Wahljahr, schreibt beispielsweise CNN. Die Resultate werden, wenn sie bekannt werden, von den Verlierern angezweifelt werden, für sie ist das Chaos wohl ein Segen. Die Kandidaten sind bereits nach New Hampshire gereist, wo die nächsten Vorwahlen stattfinden und Iowa wird bald vergessen sein. Bitter ist das für die Sieger, die ihren Erfolg kaum auskosten können. Und bitter ist es auch für die Partei, die sich seit drei Jahren darauf vorbereitet, den ungeliebten Präsidenten Donald Trump aus dem Weissen Haus zu jagen und nun gleich in der ersten Minute ein Eigentor geschossen hat. Und auch für Iowa könnte das Debakel Konsequenzen haben, wie die New York Times oder NBC schreiben. Hier starten die Vorwahlen seit 1972, doch die anderen 49 Staaten, die auch gerne mal den Anfang machen würden, haben nun noch mehr Argumente, um Iowa diese Vorreiterrolle zu entreissen.
Wieso beginnen die Vorwahlen ausgerechnet in Iowa?
Unter dem Druck der 68er-Bewegung reformierten die Demokraten ihr Vorwahlsystem, um es transparenter und offener zu machen. Der ganze Vorwahlprozess wurde dabei deutlich verlängert – weil Iowa ein selbst für amerikanische Verhältnisse kompliziertes Wahlsystem verwendet, wurde der Termin für die Vorwahlen dort besonders früh angesetzt. Seit 1972 ist Iowa immer der erste Vorwahltermin im Nominierungsprozess der Demokratischen Partei. Seit 1976 ist es bei den Republikanern ebenso.
In anderen Staaten wird einfach in Wahlkabinen abgestimmt – weshalb hält man in Iowa an dem Caucus-Verfahren fest?
Diese Frage wird bei US-Wahlen stets aufs Neue diskutiert. In den meisten US-Bundestaaten werden die Delegierten bei den Vorwahlen inzwischen in sogenannten Primaries gewählt. Dabei gehen die Stimmberechtigten – in manchen Staaten sind das nur Parteigänger, in anderen alle wahlberechtigten Bürger – in eine Kabine und machen ihr Kreuz. Nur in einer Handvoll Staaten und Aussengebieten wird noch das Caucus-Verfahren angewendet, neben Iowa etwa in Nevada, North Dakota und Wyoming. Bei einem Caucus müssen die Kandidaten sehr stark auf persönlichen Kontakt setzen, um lokale Unterstützer zu mobilisieren – denn diese werben bei den Caucus-Debatten in den Wahlkreisen um die nötigen Stimmen. Die Folge ist ein etwas altmodischer Wahlkampf der kleinen Säle und Strassen. Bei grossen Primaries wie etwa in Kalifornien sind dagegen moderne Medienkampagnen der Schlüssel zum Erfolg – die sind teuer. Caucus-Wahlkämpfe bieten dagegen auch Kandidaten mit weniger Ressourcen Chancen, was Befürworter dieses Systems gerne als Argument anführen. Allerdings ist ein Caucus zeitaufwändig. Nicht jeder schafft es, stundenlang über den richtigen Kandidaten zu debattieren – Alleinerziehende oder Schichtarbeiter zum Beispiel haben damit wohl eher ein Problem als Rentner oder Lehrer. Die Wählergruppen sind darum nicht besonders repräsentativ für die gesamte US-Bevölkerung: ein Hauptkritikpunkt der Caucus-Gegner. In Iowa zum Beispiel ist der Anteil der schwarzen Wähler mit nur etwa zehn Prozent bei den demokratischen Caucuses sehr stark unterrepräsentiert.
In Iowa geht es bloss um 41 von insgesamt fast 4000 Delegiertenstimmen – warum bekommen die Caucuses dort trotzdem so viel Aufmerksamkeit? Iowa markiert den Beginn des wichtigen Vorwahl-Prozesses. Wer hier als Sieger dasteht, kann den Schwung möglicherweise in weitere – wichtigere – Wahlgänge mitnehmen. Ein Sieg in Iowa steigert die Bekanntheit, hilft beim Spendensammeln. Und das komplizierte Wahlsystem sorgt überdies dafür, dass es manchmal Aussenseiter an die Spitze schaffen. Darum ist Iowa eine der spannenderen Vorwahlen. In der Vergangenheit kam es öfter vor, dass der Sieger von Iowa letztlich auch die Präsidentschaftskandidatur gewann, so war es etwa 2008 (Barack Obama) und 2016 (Hillary Clinton) – was zu einer gewissen Mythenbildung beigetragen hat. Nach dem Chaos in diesem Jahr mehren sich allerdings Kommentare, die dafür plädieren, die Vorwahlen in Iowa künftig weniger wichtig zu nehmen. Denn letztlich geht es eben nur um 41 Stimmen beim Parteikongress.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch