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Venedig und die Kreuzfahrtschiffe
Die Verbannung der Monster

Da sieht man eigentlich bereits alles vom Schiff aus: Kreuzfahrtschiff fährt vor der Piazza San Marco in Venedig. (Archivbild)
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Der Wahnsinn hat ein Ende, bald. Nach jahrelangen Debatten hat die italienische Regierung am Mittwochabend beschlossen, dass Kreuzfahrtschiffe und Frachter über 40’000 Tonnen aus der Lagune von Venedig verbannt gehören. Ganz raus aus dem fragilen Ökosystem mit der alten Stadt darin, dieser Schatzschatulle der Menschheit. Klar, zuerst müssen dafür noch die Infrastrukturen geschaffen werden, damit Gäste und Waren auf kleinere Schiffe umgeladen werden können für die letzten Meilen: ein Hafen vor den Mündern der Lagune, an der Küste der offenen Adria oder vielleicht sogar Offshore. Und solche Bauprojekte sind in Italien oftmals langwierige Geschichten voller bürokratischer Unwägbarkeiten.

Doch der Anfang ist gemacht. Das Dekret der Regierung eröffnet einen Ideenwettbewerb, allein für dieses Jahr sind dafür 2,2 Millionen Euro veranschlagt. Umweltaktivisten und Liebhaber Venedigs obsiegen, es war ein langer Kampf gegen die Geschäftemacher gewesen, die Lobbys des immer mehr und immer grösser, die Treiber des Massentourismus. Zufrieden dürften sie auch bei der Unesco sein, seit Jahren fordert die Organisation die Verbannung der Monster – ja, sie drohte Italien schon damit, Venedig den Status «Weltkulturerbe» zu entziehen. Und das wäre natürlich ein Sakrileg, ein selbst verschuldetes allerdings. «Wir machen den ersten Schritt für eine strukturelle und definitive Lösung des Problems», sagt nun Dario Franceschini, Italiens Kulturminister.

Ein Monster inmitten des Weltkulturerbes: Die MSC Preziosa wird durch einen Kanal gesteuert. Viel Platz bleibt da nicht. (Archivbild)

Es wird also keine Bilder mehr geben von hohen, weissen Schiffen, die wie gigantische Cremeschnitten vor der Piazza San Marco wassern und den grandiosen Platz zur Miniatur degradieren, damit die Passagiere einen freien Blick darauf haben, und dann den Canale della Giudecca runterfahren bis zum Ankerplatz an der Stazione Marittima. Disney in der Stadt der Dogen. Zuletzt kam es immer wieder zu Unfällen, weil die Ungetüme nun mal nicht in den feinen Rahmen passen. 2019 prallte die MSC Opera mit viel Schub gegen eine Mole.

Erster Schritt dank Corona

Die Beleidigung des ästhetischen Befindens war nur ein Teil des Problems, wenn auch ein bedeutender. Die Kähne verpesten die Lagune. Und sie verdrängen beim Kreuzen so viel Wasser, dass die beschleunigten Strömungen dann an den Häusern auf den Stelzen zerren und zehren. Alles haben die überlebt, jahrhundertelang, wie durch ein Wunder. Die Monster aber waren eine unerwartete Herausforderung.

Bis es dann mal so weit ist und ein neuer Hafen die grossen Schiffe schon vor der Lagune abfängt, werden sie nach Marghera umgeleitet. Die Industriestadt liegt auf dem italienischen Festland, aber eben doch in der Lagune, gerade ideal ist das also nicht. Aber ein erster Schritt. Ohne Corona wäre der wohl nicht passiert.

Bis zur Pandemie verkehrten in Venedig Kreuzfahrtschiffe, und es gab keine greifbare Aussicht auf einen schnellen Stopp. Die Pause des Tourismus, die Venedig so hart traf wie keine andere Stadt Europas und gleichzeitig ihre sagenhafte Schönheit hervorholte, hat nun bei vielen die Überzeugung geschärft, dass sich die Bellezza nur bis zu einem gewissen Grad biegen lässt. Sonst bricht sie.

Ein übliches Bild vor Corona: Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes drängen sich an der Reling, um Venedig von oben zu betrachten. (Archivbild)