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Riesiges Infrastrukturpaket
Die USA planen den Wiederaufbau per Schuldenbombe

US-Präsident Joe Biden könnte das umstrittene Infrastrukturprogramm durchbringen. 
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Am Ende des viertägigen Verhandlungsmarathons waren selbst republikanische Politiker genervt von jenen Verfahrenstricks, mit denen ihr Parteifreund Bill Hagerty die Verabschiedung des geplanten Gesetzes zum Ausbau von Strassen, Brücken und Schienenwegen im US-Senat bis in den späten Sonntagabend hinein aufgehalten hatte.

Immerhin, zum guten Schluss musste sich Hagerty geschlagen geben: 68 der 100 Senatoren, darunter 18 republikanische, votierten dafür, die offizielle Debatte über eins der grössten Infrastrukturpakete der US-Geschichte zu beenden und eine baldige Abstimmung anzuberaumen. Diese soll am Dienstag stattfinden, eine Mehrheit für das Gesetz gilt als wahrscheinlich.

Mit dem Paket im Volumen von insgesamt einer Billion Dollar will Präsident Joe Biden die teils marode Infrastruktur des Landes modernisieren, Schienen- und Wasserwege sowie Internetleitungen ausbauen und ein landesweites Netz von Ladestellen für Elektroautos knüpfen.

Der Republikanische Senator Bill Hagerty versuchte das Konjunkturpaket aufzuhalten. 

Ziel ist es, den Klimawandel zu verlangsamen, die USA besser gegen Cyberattacken aus dem In- und Ausland zu schützen und das Land im Wettbewerb mit China um die Position der grössten Wirtschaftsmacht der Welt wieder in die Offensive zu bringen. Eine Verabschiedung des Gesetzes, das neue Ausgaben von 550 Milliarden und die Umwidmung bereits bewilligter Gelder von noch einmal etwa 450 Milliarden Dollar vorsieht, wäre entsprechend ein grosser politischer Erfolg für Biden.

Ein zweites Programm ist schon in Vorbereitung

Ob es dazu kommen wird, ist aber selbst nach einer Verabschiedung der parteiübergreifenden Initiative durch den Senat noch offen, denn anschliessend gilt es, das Repräsentantenhaus zu überzeugen. Zwar haben Bidens Demokraten hier eine knappe Mehrheit, mehrere Abgeordnete aber zögern, weil ihnen einzelne Punkte der Senatsvorlage nicht weit genug oder aber zu weit gehen. Einige Parlamentarier halten zudem ihr eigenes, bereits verabschiedetes Infrastrukturgesetz im Volumen von rund 715 Milliarden Dollar für besser geeignet, um die vielen Mängel zu beheben.

Und dann ist da noch ein Problem, das über dem gesamten Gesetzgebungsverfahren schwebt: Die Demokraten planen noch ein zweites Reformpaket im Umfang von kaum mehr vorstellbaren 3,5 Billionen Dollar, mit dem sie Familien unterstützen, eine Art Elternzeit einführen, die Mietkosten begrenzen und die CO₂-Emissionen des Landes massiv senken wollen.

Vize-Präsidentin Kamala Harris nach der Abstimmung zum Infrastruktur-Gesetz. 

Weil voraussichtlich kein einziger republikanischer Senator dieser Initiative zustimmen wird und die Demokraten im Senat damit keine Chance auf die nötigen 60 Stimmen haben, bedient sich Mehrheitsführer Chuck Schumer eines Tricks: Er will das Gesetz mithilfe eines speziellen Haushaltsverfahrens über die parlamentarischen Hürden hieven, das eine Mehrheit von lediglich 51 Stimmen verlangt. Das entspricht exakt der Zahl der demokratischen Senatsmitglieder, wenn man die bei einem Abstimmungspatt entscheidende Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris mitzählt.

Viele Republikaner stören sich an den immensen Kosten des Familien-, Sozial- und Umweltpakets.

Die Republikaner hingegen werfen den Demokraten Trickserei vor. Senator Hagerty etwa, ein Gefolgsmann des früheren Präsidenten Donald Trump, begründete seinen Widerstand gegen das Infrastrukturpaket ausdrücklich damit, dass Schumer beide Projekte miteinander verknüpft und die nicht mehrheitsfähigen Teile in ein Haushaltsgesetz ausgelagert habe.

Viele Republikaner, aber auch zwei Senatoren der Demokraten, stören sich zudem an den immensen Kosten des Familien-, Sozial- und Umweltpakets, das die US-Staatsverschuldung in der Tat weiter kräftig in die Höhe treiben würde. Hagerty sprach von einer «sozialistischen Schuldenbombe».

Schumer hielt am Wochenende dennoch an seinen Plänen fest und verteidigte auch das überaus zähe Gesetzgebungsverfahren. «Es hat eine Weile gedauert, aber das war es wert, denn nun können wir beide Gesetze hoffentlich sehr, sehr bald verabschieden», sagte der Senator aus dem Bundesstaat New York.

Sorge vor steigender Inflation

Sollte es den Demokraten tatsächlich gelingen, beide Pakete durch den Kongress zu bringen, dann können sich Unternehmen und Konsumenten in den USA einschliesslich des bereits verabschiedeten jüngsten Corona-Hilfspakets auf eine Konjunkturspritze im Umfang von gut sechs Billionen Dollar einstellen. Das ist selbst für eine riesige Volkswirtschaft wie die amerikanische ein wahrlich kräftiger Impuls.

Das birgt aber auch Risiken: Viele Republikaner, aber auch manche den Demokraten nahestehende Volkswirte, machen die massive Erhöhung der Staatsausgaben bereits für die deutlich gestiegene Inflationsrate in den USA mitverantwortlich.