Kommentar zum SVP-PräsidiumDie SVP bietet wenigstens eine Auswahl
Anders als bei den Linken gibt es in der SVP mehrere Kandidaten für das Präsidium. Gut so – aber die Vielfalt hat eine Kehrseite.
Nein, langweilig wird es der SVP bei der Suche nach dem neuen Parteichef nicht. Es gibt mittlerweile so viele offizielle, halboffizielle, berufene und weniger erwünschte Kandidaten, dass auch innerhalb der Partei manche den Überblick verloren haben. Die politischen Gegner legen der SVP das breite Kandidatenfeld als Schwäche aus.
In der SVP herrscht schon viel zu lange ein Machtvakuum.
Die Kritik greift zu kurz: Die Besetzung von Spitzenämtern ist für Parteien immer eine Gelegenheit, ihr Spitzenpersonal zu zeigen. Und ihre Vielfalt. Das gelingt der SVP. Ihre Auswahl reicht von der Bankerin bis zum Bauern, von Genf bis nach Schwyz.
Anders die Linke: Deren Präsidien werden dieses Jahr alternativlos besetzt. Der Grüne Balthasar Glättli wurde im Juni als Einzelkandidat gewählt, und gegen das kandidierende Duo Meyer/Wermuth will bei der SP niemand mehr antreten. Parteiinterne Kontroversen, Rededuelle, Überzeugungskünste? Fehlanzeige. Für die Kandidaten ist das bequem, für die Parteien eine verpasste Chance. Erst in der inhaltlichen Auseinandersetzung schärfen sie Strategie und Profil.
Denn die grosse Kandidatenauswahl ist auch Ausdruck einer tiefen strukturellen Krise.
Macht die SVP mit ihrem Kandidaten-Karussell also alles richtig? Mitnichten. Denn die Auswahl ist auch Ausdruck einer tiefen strukturellen Krise. Sie verdeutlicht, dass die einst straff geführte Partei zaudert. Sie weiss nicht, wohin sie will. Die Ära von Übervater Christoph Blocher ist offenkundig vorbei, doch die Macht konzentriert sich noch immer in Herrliberg.
Wie kommt die SVP aus diesem Dilemma? Soll sie die Abnabelung beschleunigen, indem sie sich einen vergleichsweise unabhängigen Präsidenten leistet? Oder soll sie mit einem Chef von Blochers Gnaden weiter auf die bewährten Rezepte setzen? Will sie den dezidiert ländlichen Fokus behalten? Oder eher den in der Parteielite stark vertretenen urbanen Regionen ein Gesicht geben? Möchte sie gar mit einer Frau etwas ganz Neues wagen?
Noch steht die Antwort auf diese Richtungsfragen aus. Klar ist aber: In der Partei herrscht schon viel zu lange ein Machtvakuum. Will sie sich endlich davon befreien, muss sie mit dieser Präsidentenwahl die Weichen stellen. Nur so versperrt sie sich nicht mehr selber den Weg.
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