Miniatur des AlltagsDie Strapazen kommen nach dem Zügeln
Unsere Autorin ist umgezogen. Warum der Tag nach dem Zügeln schlimmer als das Kistenschleppen selbst ist, schreibt sie in ihrer Kolumne.
Wovor mich niemand gewarnt hat vor dem Umziehen: Der Tag danach ist schlimmer als der eigentliche Zügeltag. Doch auch wenn ich alarmiert worden wäre: Geglaubt hätte ich es nicht.
Selten in meinem Leben habe ich mich nämlich so ausgelaugt gefühlt wie an jenem heissen Samstagnachmittag in der neuen Wohnung, nachdem die Zügelmänner mit ihren zwei endlich leeren Lastern den Abgang gemacht hatten. Nur schon beim Gedanken an das schmale Treppenhaus ohne Lift, die himmelhohen Stapel Kisten und alle wuchtigen Möbel verspannen sich meine Schultern aufs Neue. Denn so traumhaft eine Altbauwohnung mit Dachterrasse auch klingen mag: Ein 250-Kilo-Klavier will niemand drei Stockwerke heraufschleppen.
Umringt von Kisten, Kartons und einer verschüchterten Katze sass ich danach also da und wollte
keinen Finger mehr rühren. Das Auspacken konnte warten bis morgen, dachte ich mir, und schlief
wenig später auf meinem unbezogenen Bett ein.
Das Erste, was ich am nächsten Morgen fühlte, war ein steifer Nacken. Ich reckte mich und war sogleich mit einem Wadenkrampf konfrontiert, gefolgt von dem Schmerz wunder Fusssohlen, als ich aufstand. Ich seufzte, und mein Blick fiel auf zahllose blaue Flecken wie Farbspritzer auf meinen Oberschenkeln und Unterarmen. Meine nackte Matratze sah selten so verlockend aus, doch ich raffte mich zusammen und schüttelte das Selbstmitleid von mir ab.
In dem Moment surrte mein Mobiltelefon. Ich hatte es den Tag zuvor kaum einmal in der Hand gehabt und es in der Hitze des Gefechts ziellos in eine Ecke geschmissen. Zwischen zwei verpassten Anrufen und einigen Nachrichten sprang mir eine Benachrichtigung meiner Gesundheits-App entgegen: «Du hast in den letzten 24 Stunden 79 Schritte gemacht. Mach jetzt mehr Sport, um dein tägliches Ziel zu erreichen!»
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