«Die SRG hat sich im Parlament viel Goodwill verspielt»
SP-Nationalrat Matthias Aebischer fordert von der SRG einen Fünfjahresplan. Nur so könne man den Finanzbedarf ermitteln.
Die SRG hat jahrelang ihre Bilanzen geschönt. Kümmert das die Politik überhaupt?
In der Verkehrskommission behandeln wir die strategischen Belange der bundesnahen Betriebe, auch der SRG. Doch wir sind nicht Revisoren, die Rechnung schauen wir nicht an. Allerdings habe ich die SRG schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Einbruch in der Werbung viel heftiger sein wird. Das hätte man antizipieren müssen.
Warum ist das nicht geschehen?
Man glaubte, die TV-Werbung sei vom Strukturwandel nicht betroffen, orientierte sich an den Vorjahren und an anderen Sendern. Doch das Fernsehen ist ebenso wie die Presse betroffen vom Werberückgang, wenn auch mit Verzögerung. Jetzt scheint das voll durchzuschlagen.
Was soll die SRG machen?
Sie kann versuchen, Optimismus zu verbreiten und den Werbeverkauf mit Anstrengungen anzukurbeln. Doch ich gehöre ohnehin zu jenen, die sagen: Mir wäre eine werbefreie SRG lieber. Sie hätte viel weniger Probleme.
Und wie das finanzielle Loch stopfen?
Bevor man definiert, wie viel Geld die SRG braucht, muss der Service-public-Auftrag konkret umrissen werden. Der Auftrag des Gesetzgebers ist klar. Doch nun braucht es von der SRG einen Fünfjahresplan: Wie will sie angesichts des fortschreitenden Strukturwandels ihren Auftrag künftig wahrnehmen? Mit welchen Sendern, mit welchen Leistungen im Onlinebereich? Das lineare Fernsehen wird nach und nach verschwinden, und ob die Leute in zehn Jahren noch Radio hören wie heute, wissen wir nicht. Wie will die SRG künftig das Publikum erreichen? Bei gewissen Sendungen haben sich die Einschaltquoten in den letzten 15 Jahren halbiert. Die SRG muss einen Plan mit Aufgaben und den damit verbundenen Kosten erstellen. Erst dann sehen wir, welches Budget sie dafür benötigt. Ob das 1,6 Milliarden Franken sind wie heute oder 1,2 Milliarden. Heute können wir das noch nicht wissen.
Ist so ein Plan in Aussicht?
Gilles Marchand hat ihn nach der No-Billag-Abstimmung angekündigt, und in gewissen Punkten hat er ihn auch schon umrissen. So etwa die verstärkte Zusammenarbeit mit den Verlegern. Aber es fehlt noch ganz viel, und vor allem muss die SRG die Kosten zu den einzelnen Vorhaben liefern.
«Die SRG hat sich im Parlament viel Goodwill verspielt.»
Sie reden, als ob die SRG unter Druck wäre. Im März 2018 haben sich drei Viertel der Stimmberechtigten hinter die SRG gestellt.
Das war einmal. Die SRG hat sich im Parlament viel Goodwill verspielt. Das habe ich in den vergangenen zehn Jahren genau beobachtet. Als ich Nationalrat wurde, sagte ich einmal dem damaligen Generaldirektor Roger de Weck: «Sie haben einen schönen Beruf – stets drei Viertel des Parlaments hinter sich.» Das hat sich geändert. Es gab keine Entwicklung in Richtung des Publikums, keinen Diskurs darüber, wie man die Leute besser erreichen könnte. Die SRG hob immer mehr ab. Bei der Abstimmung zum neuen RTVG 2015 zeigte sich das exemplarisch: Nach dem knappen Ja erwartete man von der SRG ein In-sich-Gehen, eine Veränderung. Das Gegenteil war der Fall. Sie lancierte die umstrittene Werbeallianz Admeira. Es standen dann jedoch fast alle Politiker zusammen, als es bei der No-Billag-Initiative darum ging, die SRG vor der Zerschlagung zu schützen. Dass sie danach den stümperhaften und schlecht kommunizierten Entscheid zum Studiostandort durchgezogen hat, hat die Pro-SRG-Allianz wieder massiv zerrissen. Die SRG-Freunde im Parlament wurden dadurch massiv weniger.
Eine werbefreie SRG wollte Moritz Leuenberger, heute wären wohl die SVP und die Grünen dafür. Die SP eher nicht.
Wenn man der SRG auf einen Chlapf 250 Millionen Franken für Werbung und Sponsoring wegnehmen möchte, dann hat die Idee einer werbefreien SRG wohl keine Mehrheit. Es brauchte Übergangslösungen, etwa mit den Gebührenüberschüssen zugunsten der SRG. Dann könnte die werbefreie SRG ein Thema werden.
Die SRG hat seit 2018 eine neue Führung. Was hat sich verändert?
Der neue Generaldirektor Gilles Marchand ist für mich der Inbegriff des Service public. Er hört wirklich zu und steht im Dienst des Publikums. Dasselbe spüre ich bei Nathalie Wappler. Sie hat den Willen, etwas zu verändern und im Dienste des Volkes zu agieren.
Das klingt wie eine Bewerbungsrede – wollen Sie zurück zu SRF?
Nein, gar nicht. Ich war fast 20 Jahre lang dort, das Kapitel ist für mich abgeschlossen.
Ihre Parteikollegin, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, wird nach den Sommerferien mit einer medienpolitischen Strategie in den Bundesrat und ins Parlament gehen. Sie wird wohl die indirekte Presseförderung anheben, eine Digitalförderung einführen und die Weiterbildung stärken. Finden Sie das gut?
Ja, als ersten Schritt auf jeden Fall. Auch wenn die indirekte Presseförderung Pflästerlipolitik ist. Sie ist notwendig. Dann aber müssen wir die Verfassung ändern und aus dem Radio- und TV- einen Medienartikel machen. Damit die Presse auch direkt gefördert werden kann.
Wie stellen Sie sich direkte Presseförderung vor?
Man würde Printmedien unterstützen, die gewisse Anforderungen erfüllen bezüglich regionaler Berichterstattung, Arbeitsbedingungen, journalistische Berufskultur, dazu gehört auch die Weiterbildung.
«Das Mediengesetz ist eine Totgeburt.»
Wäre das nicht eine Gefahr, wenn alle Medien vom Staat abhingen?
Ich erachte auch Radio und Fernsehen heute nicht als Staatsmedien, trotz Gebühren. Kritische Interviews erscheinen dort genauso wie in Tamedia-Zeitungen. Generell erlebe ich Journalisten als unabhängig und unbestechlich. Ich glaube nicht, dass sich das ändern würde, wenn Zeitungen staatlich direkt unterstützt würden. Bei den privaten TV-Stationen, die seit einigen Jahren Gebührengelder erhalten, hat sich nichts verändert.
Dem Mediengesetz geben Sie keine Chance mehr?
Nein, das ist eine Totgeburt, das Gesetz ist komplett unbrauchbar. Der Entwurf des Mediengesetzes war für mich ein Indiz dafür, dass es in der Medienpolitik grundlegende Probleme gibt, für deren Lösung wir zuerst einmal die Verfassung ändern müssen.
Das Geld für eine werbefreie SRG würden Sie von den Gebührenüberschüssen nehmen. Doch diese Überschüsse will der Bundesrat womöglich für die Digitalförderung einsetzen.
Wenn wir alle Begehrlichkeiten für die Verwendung der Gebührenüberschüsse zusammenrechnen, sind wir bei etwa einer Milliarde Franken. Der Überschuss beträgt aber nur rund 100 Millionen Franken. Es braucht eine Gesamtschau und klare Prioritäten. Der Ball liegt beim Mediendepartement Uvek, bei Simonetta Sommaruga.
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