Personalmangel und Corona-Welle«Die Situation in den Spitälern ist praktisch überall angespannt»
Im Aargau mussten bereits erste Patienten verlegt werden. Die Wintermonate werden zum Stresstest für das Gesundheitswesen, warnt der Spitalverband – das hat aber nur am Rand mit Corona zu tun.
Die Fallzahlen stehen wieder unter verschärfter Beobachtung: Das Bundesamt für Gesundheit meldete am Dienstag landesweit 25’134 neue Fälle, die in der letzten Woche positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Der 7-Tage-Schnitt liegt 50 Prozent über der Vorwoche.
Kommt es deswegen bald zu einer Überlastung der Spitäler? Erste Anzeichen sind da: Das Kantonsspital Aarau kam am Wochenende an seine Kapazitätsgrenzen. Es musste Patienten an andere Spitäler überweisen. Das schrieb die «Aargauer Zeitung» am Mittwoch. Der Infektiologe des Spitals sagte der Zeitung: «Wir haben jetzt schon keine Reserven mehr.»
Es mangelt an Personal
Die verschärfte Situation ist allerdings bisher nur zu einem kleinen Teil auf Corona-Ansteckungen zurückzuführen. Auf den Intensivstationen der Schweizer Spitäler liegen zwar nach wie vor Corona-Patienten – aber bisher weit weniger als noch im letzten Frühling.
Das Kantonsspital Aarau macht denn auch auf ein anderes, grösseres Problem aufmerksam: Es fehlt Personal an allen Ecken und Enden.
Der Schweizer Spitalverband H+ bestätigt, dass sich der Personalmangel seit dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 verschärft hat. «Die Situation ist praktisch überall angespannt», sagt der Sprecher von H+, Stefan Althaus. Etliche Spitäler und Kliniken würden Mühe bekunden, Gesundheitspersonal zu finden. Offene Stellen könnten nur mit grossen Anstrengungen besetzt werden.
Der Personalmangel hat Auswirkungen auf die Belegung. «Denn die Spitäler und Kliniken können nur jene Betten betreiben, für die sie auch genügend Personal haben», sagt Althaus. Einige Spitäler hätten aufgrund der angespannten Personallage bei Pflegenden, Ärztinnen und Ärzten die verfügbaren Betten reduziert.
Acht von zehn Betten sind belegt
Die Spitäler sind schweizweit derzeit zu 81,5 Prozent besetzt. «Das ist für die Jahreszeit eher hoch», sagt der Sprecher von H+. In Zürich ist die Situation besonders prekär. Die Spitäler des Kantons sind gegenwärtig zu 89 Prozent belegt. «Die Entwicklung macht uns Sorgen», sagt Ronald Alder vom Verband Zürcher Krankenhäuser. «Das Problem ist, dass es sich nicht einfach um eine einzelne Belegungsspitze handelt, sondern schon fast um einen Dauerzustand.»
Auch Alder macht aber nicht in erster Linie Corona dafür verantwortlich: «Schon im Sommer kamen viel mehr Leute zu uns als in früheren Jahren.» Es mache sich bemerkbar, dass die Bevölkerung altere und dass für viele heute die Notfallstationen der Spitäler bei Gesundheitsproblemen die erste Anlaufstelle seien – und nicht der Hausarzt.
Tatsächlich hat die Zürcher Gesundheitsdirektion schon im Sommer wegen überlasteter Notfallstationen Alarm geschlagen. Und am Mittwoch haben auch Kinderärzte und -spitäler darauf hingewiesen, dass der Andrang kranker Jugendlicher schon vor der «Viren-Hochsaison» immens ist.
Ist nun zu befürchten, dass es während der kommenden Wintermonate in den Spitälern zu akuten Engpässen kommt? Ja, sagen die Sprecher der Schweizer und der Zürcher Spitäler unverblümt.
Beide erklären, dass sich das Szenario der letzten Jahre wiederholen könnte: Mit der Zunahme der Infektionen in der Gesamtbevölkerung würden auch die Erkrankungen beim Spitalpersonal zunehmen. Dies werde zu weiteren Personalausfällen führen und sich dementsprechend auf den Spitalbetrieb auswirken.
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