Interview zur Vogelgrippe in der Schweiz«Die Situation bleibt weiterhin sehr besorgniserregend»
Der aktuelle Fall von Vogelgrippe bei Legehennen verunsichert. Die Expertin Katharina Stärk erklärt, warum beim Kauf von Eiern jetzt angepasste Hinweise zum Freiland-Label gemacht werden.
Frau Stärk, erneut sind in der Schweiz nicht nur Zugvögel, sondern auch Legehennen in einer Tierhaltung mit dem Vogelgrippevirus H5N1 befallen. Kann es sein, dass kontaminierte Eier jetzt vor Ostern in den Regalen der Detailhändler sind?
Nein, das ist sehr unwahrscheinlich. Zum einen wurden die rund vierzig Tiere des betroffenen Betriebs im Kanton Zürich getötet und auch deren Eier vernichtet. Wenn die Vogelgrippe in einem Stall mit Legehennen oder auch Mastpoulets ausbricht, merken die Tierhalter dies sofort. Denn die Geflügelpest ist eine hochakut verlaufende Viruserkrankung. Nach einer kurzen Inkubationszeit verläuft die Erkrankung meist tödlich. Der Verkauf von Produkten infizierter Hühner ist verboten.
Seit Ende November müssen Hühner entweder im Stall bleiben oder dürfen nur in einen geschützten Auslauf. Gibt es jetzt keine Freiland-Eier mehr zu kaufen?
Die Massnahmen zur Vorbeugung der Vogelgrippe werden noch bis mindestens Ende April dauern. Deshalb werden die Kunden und Kundinnen jetzt zum Beispiel beim Kauf von Eiern bei der Migros und Coop entweder direkt auf der Verpackung oder daneben an dem Regal informiert, dass die Tiere keinen Zugang nach draussen hatten. Das ist neu und hatten wir bisher noch nie in der Schweiz. Wir hoffen, dass sich die Situation aber mit dem Ende des Vogelzugs Mitte April wieder normalisiert.
Das heisst, es könnte aber auch noch länger dauern?
Das Virus ist weltweit stark verbreitet, und die Situation ist sehr dynamisch. Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, weil wir momentan noch nicht wissen, ob sich das Virus inzwischen auch in der Schweiz bereits bei heimischen Wildvögeln wie Enten und Möwen etabliert hat. Die Situation bleibt weiterhin sehr besorgniserregend. Denn bereits im vergangenen Jahr war das hochansteckende Virus H5N1 erstmals den ganzen Sommer über in Europa präsent. So kam es zum Beispiel vor allem an Küstengebieten der Nordsee, etwa in den Niederlanden, Deutschland und Grossbritannien, zum Massensterben von unter anderem Seeschwalben oder Tölpeln. Ganze Brutkolonien waren betroffen. Dies kann langfristig auch Folgen für den Bestand von Arten haben.
Wie gefährlich ist das Virus H5N1 für den Menschen?
Damit ein Mensch sich ansteckt, braucht es sehr engen Kontakt zu den infizierten Tieren. Dies ist nur möglich, wenn jemand infizierte Tiere direkt betreut oder wenn jemand bei der Reinigung eines kontaminierten Hühnerstalls nicht genügend geschützt ist wie zum Beispiel mit Anzug und Atemmaske. Das Virus hat sich bisher noch sehr wenig an den Menschen angepasst. Dennoch tritt es in Europa inzwischen nicht nur bei Nerzen auf, sondern seit kurzem auch bei Füchsen.
«Mittlerweile haben wir in der Schweiz immer mehr Möwen, die an dem Virus sterben.»
Wenn bei uns Hühner aufgrund der verlängerten Schutzmassnahmen nicht mehr auf die Weide können, kommt es dann vermehrt beispielsweise zu Verletzungen wie Feder- oder Zehenpicken?
Auch wenn die Hühner bereits seit vier Monaten aufgrund der aktuellen Situation nur noch in den vor Wildvögeln geschützten Auslauf dürfen, liegt die Verantwortung zur Einhaltung der geltenden Tierschutzvorschriften beim jeweiligen Tierhalter. Grössere Betriebe haben einen geschützten Aussenbereich. Schwieriger ist es für Kleinbetriebe, die sich nicht auf die Situation vorbereitet haben oder ihren Stall nicht anpassen können, sodass die Hühner dort weiterhin im Stall bleiben müssen.
Erkranken in der Schweiz inzwischen andere Wildvögel als vor einem Jahr?
Das ist so. In früheren Jahren handelte es sich bei uns vor allem um Enten. Doch mittlerweile haben wir in der Schweiz immer mehr Möwen, die an dem Virus sterben. Diese bei uns heimischen Wildvögel sind viel mobiler und haben einen grösseren Aktionsradius als Enten. Das Virus kann somit weiter in andere Gegenden verschleppt werden.
Waren die Schutzmassnahmen im aktuellen Fall vom Legehennenstall in Fehraltorf im Zürcher Oberland ungenügend?
Ziemlich sicher ist, dass es nicht durch einen Wildvogel in die Herde eingeschleppt wurde. Die kantonalen Veterinärbehörden gehen davon aus, dass eventuell Eierkäufer das Virus über Vogelkot an Schuhen, Kleidern oder durch ungewaschene Hände in die Geflügelhaltung eingeschleppt haben. Es ist wichtig, dass immer darauf geachtet wird, dass keine Personen, die nur für den Eierkauf kommen, Zutritt zum Stall und Kontakt zum Geflügel haben. Generell gilt es, derzeit besonders auf die Hygienestandards zu achten und alle Vorsichtsmassnahmen einzuhalten. Eines können wir aber den Eierkonsumenten und -konsumentinnen versichern: Das Eiertütschen kann auch dieses Jahr stattfinden.
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