Kommentar zur KonjunkturDie Schweiz schlittert in eine Pro-Kopf-Rezession
Die Wirtschaftsprognosen für 2023 sind deutlich besser als für die Eurozone oder die USA. Aber Schweizerinnen und Schweizer werden davon wenig spüren.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft, die Grossbank Credit Suisse und das Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics haben heute ihre Konjunkturprognosen für das nächste Jahr veröffentlicht. Der Tenor ist positiv. Die Schweizer Konjunktur kühlt sich zwar ab, aber anders als in der Eurozone und in den USA kommt es nicht zu einer Rezession.
Auch bei der Inflation sind die Aussichten deutlich besser als anderswo. Die Arbeitslosenquote liegt mit 2 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten und wird gemäss Prognosen nur ganz leicht steigen. Der Sonderfall Schweiz lebt.
Doch leider ist das nicht das ganze Bild. Das Wachstum in der Schweiz ist hauptsächlich vom Bevölkerungswachstum getrieben. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen von einer Nettozuwanderung von 75’000 Personen im laufenden und von 70’000 im nächsten Jahr aus.
In den letzten dreissig Jahren wuchs das Bruttoinlandprodukt pro Kopf in den USA um 55 Prozent und in Deutschland um 36 Prozent – in der Schweiz aber nur um 29 Prozent.
Mehr Leute konsumieren mehr und brauchen mehr Wohnungen. Aber für den Lebensstandard der Bevölkerung ist nicht das Wachstum per se entscheidend, sondern was dem Einzelnen davon bleibt. Misst man aber das Wachstum am Bruttoinlandprodukt pro Kopf, sieht es mit dem Sonderfall nicht mehr so rosig aus. 2023 droht eine Pro-Kopf-Rezession.
Das ist schon länger ein Problem, wie David Marmet, Chefökonom der Zürcher Kantonalbank, berechnet hat. So wuchs in den letzten dreissig Jahren das Bruttoinlandprodukt pro Kopf in den USA um 55 Prozent und in Deutschland um 36 Prozent – in der Schweiz aber nur um 29 Prozent.
Wachstumspolitik ist in den vergangenen Jahren leider in politische Vergessenheit geraten. Die Schweiz muss wieder mehr darüber diskutieren, wie wir die Produktivität steigern, wie mit weniger Einsatz an Ressourcen gleich viel oder mehr zu erreichen ist. Nur so steigen die Löhne und sinken die Arbeitszeiten.
Gelingt das nicht, wird ein anderes Thema zum Wahlkampfschlager im Wahljahr 2023: die Zuwanderung.
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