Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Politische Forderungen zu Afghanistan
«Die Schweiz muss sofort 10’000 Geflüchteten Schutz gewähren»

Es sind unfassbare und herzzerreissende Szenen, die sich aus der afghanischen Hauptstadt Kabul via Twitter weltweit verbreiten. Flüchtlinge stürmen aufs Rollfeld des örtlichen Flughafens und klammern sich gar an startende Flugzeuge, um nach der Machtübernahme durch die Taliban das Land verlassen zu können.

Die Bilder lösen auch bei Schweizer Bundespolitikern grosse Sorgen aus. Die Linke will Flüchtlinge in die Schweiz holen, die Rechte jedoch fordert, eine Flüchtlingswelle müsse verhindert werden.

Fabian Molina, SP-Nationalrat und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK), verlangt vom Bund gezielte Sofortmassnahmen. Molina rechnet mit Hunderttausenden Afghaninnen und Afghanen, die in den kommenden Tagen und Wochen das Land verlassen müssen.

Der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina fordert den Bund auf, afghanische Flüchtlinge unbürokratisch aufzunehmen und den Dialog mit den Taliban zu suchen. 

Die Schweiz soll Flüchtlinge aus der Region eigenständig und unbürokratisch aufnehmen und bei der Kontingentierung grosszügig sein, sagt Molina. Vor allem aber müsse die Schweiz allen afghanischen Flüchtlingen, die bereits im Land sind, den Schutzstatus geben. «Es wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein, nach Afghanistan zurückzukehren», argumentiert Molina. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat bereits letzte Woche kommuniziert, auf Rückführungen abgewiesener Asylsuchender vorläufig zu verzichten.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Dass die Schweiz allen afghanischen Flüchtlingen, die bereits im Land sind, einen Aufenthaltsstatus gibt, ist für die grüne Nationalrätin und Aussenpolitikerin Sibel Arslan «das Mindeste». Man müsse zwingend auch über einen Familiennachzug nachdenken und Menschen, die sich für die Menschenrechte einsetzten, und jenen, die jetzt am Flughafen seien und fliehen wollten, gezielt helfen, so Arslan.

Der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga stellte am Montagnachmittag in der APK des Ständerats den Antrag, die Schweiz solle ein Kontingent von 10’000 afghanischen Flüchtlingen aufnehmen, wie dies auch seine Partei verlangte. Eine Mehrheit der Kommission lehnte Sommarugas Antrag jedoch ab. Bundesrat Ignazio Cassis sagte nach der Sitzung der APK, es gebe bewährte Instrumente zur Aufnahme von Flüchtlingen. Die Schweiz sei deswegen im Gespräch mit anderen Staaten.

Die Aargauer SVP-Nationalrätin Martina Bircher kann dem Ruf nach einer grosszügigen Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen in der Schweiz nichts abgewinnen. Bircher fordert den Bundesrat in einem Tweet auf, eine Strategie zu entwickeln, «damit sich die Flüchtlingswelle 2015 nicht wiederholt».

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi will verhindern, «dass noch mehr Afghanen von Schleppern über sichere Drittstaaten in die Schweiz gebracht werden», wie er sagt. Gemäss Aeschi stellen «die Afghanen nach den Eritreern schon heute am zweitmeisten Asylanträge.» Es handle sich zumeist um junge Männer mit tiefem Bildungsstand, entsprechend hoch sei der Aufwand, sie zu integrieren. Aeschi hält es für gescheiter, die Flüchtlinge in der näheren Region, also in Camps in Pakistan oder im Iran, unterzubringen.

Birchers Befürchtungen widerspricht das Szenario, welches das SEM Ende Juli präsentiert hat. 2015 hatten 40’000 Flüchtlinge in der Schweiz einen Asylantrag gestellt. Fürs laufende Jahr geht das SEM von 15’000 Anträgen aus, nachdem die Gesuche und Migrationsbewegungen in den letzten 18 Monaten auf einem historischen Tiefststand gelegen hatten. Erst ab 2022 dürfte es gemäss dem Staatssekretariat eine «mehr oder weniger kontinuierliche» Zunahme der Asylgesuche geben.

Fabian Molina will das SEM nun in die Pflicht nehmen. Das Parlament hat ihm Finanzmittel zugunsten der Migrationspolitik zugesprochen, um dort tätig zu werden, wo sich die Schweiz in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Es brauche seitens der Schweiz nun zusätzliche Unterstützung für jene Länder in der Region, die afghanische Geflüchtete aufnähmen, so Molina.

Während die verbliebenen Schweizer Mitarbeitenden des Büros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Kabul inzwischen ausgeflogen werden konnten, stockt die Evakuierung der lokalen Mitarbeitenden und ihrer Familien. Der Bund versuche eine Lösung zu finden, sagte dazu Aussenminister Cassis. Dies gestalte sich schwierig, weil alle Länder dasselbe zu tun versuchten.

Für die grüne Nationalrätin Sibel Arslan (BS) kann die Schweiz mit den Taliban in einen Dialog treten, vorausgesetzt, diese halten sich an ihre Pflichten, wie die Einhaltung der Menschenrechte. 

Auf den Bundesrat kommt auch sonst einige Arbeit zu. Er muss sich rasch klar werden, ob und unter welchen Bedingungen er die Taliban als neue afghanische Regierung anerkennt. «Das EDA muss dafür klare Kriterien aufstellen. Die Einhaltung der Menschenrechte ist dafür unabdingbar, und auch die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan muss überdacht werden», sagt Nationalrätin Sibel Arslan. Gemäss Ignazio Cassis ist der Bundesrat derzeit nicht im Gespräch mit den Taliban. «Im Moment sind die Taliban keine Regierung», sagte Cassis.

Eine Möglichkeit, die Lage der Zivilbevölkerung zu verbessern, wäre, dass die Schweiz als Sitzstaat des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) die Tätigkeiten des IKRK in Afghanistan gezielt unterstützt. Sibel Arslan sähe in der Unterstützung eine Möglichkeit, als humanitäres Land eine wichtige Rolle zu spielen. Fabian Molina hält es für unabdingbar, dass die Schweiz mit den Taliban in einen offiziellen Dialog tritt, obschon es sich um «eine Terrorregierung» handle. Im IKRK sieht der Zürcher Sozialdemokrat jene Organisation, die den Kommunikationskanal herstellen und die Taliban-Kämpfer an ihre völkerrechtlichen Pflichten erinnern könnte.

Das IKRK wird auf jeden Fall in Afghanistan bleiben. «Wir haben 30 Jahre lang in diesem Land gearbeitet und werden damit jetzt nicht aufhören», schrieb der IKRK-Delegierte und Missionschef Eloi Fillion am Montag in einem an Medienschaffende verschickten Statement.

«Apropos» – der tägliche Podcast

Den Podcast können Sie kostenlos hören und abonnieren auf
Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Apropos».