Gastbeitrag Die Schweiz muss aktiver einen Atomkrieg verhindern
Durch ihren Einsitz im UNO-Sicherheitsrat hat sie die Pflicht und das Potenzial, aktiver in das Geschehen einzugreifen.
Den symbolischen Alarm lösten höchst besorgte Atomwissenschaftler aus: Im Januar 2022 stellten sie die Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor Mitternacht.
Die Begründung folgte im renommierten «Bulletin of Atomic Scientists»: Die bereits vom Klimawandel betroffene Menschheit setze ihre Existenz aufs Spiel – vorab mit ihrer bedrohlichen Atompolitik, dem neuen Nationalismus und den wachsenden internationalen Spannungen. All dies schüre bewaffnete Konflikte, die mehr denn je zu einem gewollten oder unfallbedingten Atomkrieg führen könnten.
Seit Januar hat sich die Situation noch verschlimmert. Nach der Invasion in der Ukraine hat Russland dem Westen wiederholt gedroht, bei einer direkten Einmischung mit einem Nuklearschlag zu antworten. Dies hat das Risiko eines Atomkriegs erhöht – und die Anwendung nuklearer Erpressung anschaulich demonstriert. Aber auch in Ostasien steigt die nukleare Bedrohung – im Taiwan-Konflikt zwischen China und den USA sowie wegen des aggressiven Atomwaffenprogramms Nordkoreas.
Die Schweiz kann die Atomwaffenstaaten motivieren, ihre Konflikte ohne nuklearen Erstschlag zu lösen.
Was tun? Die Schweiz kann im Mai 2023, anlässlich ihres erstmaligen Einsitzes im UNO-Sicherheitsrat, mit ihrer Kompetenz und der notwendigen Entschlossenheit eine zentrale Vermittlerrolle übernehmen. Die Schweiz kann aktiv die Atomwaffenstaaten motivieren, ihre Konflikte zum Beispiel ohne nuklearen Erstschlag oder Androhung des Einsatzes von Atomwaffen zu lösen.
Eine hilfreiche Grundlage bildet der Atomwaffensperrvertrag. Zwar fehlen diesem Zeitrahmen und konkretes Vorgehen, doch haben sich die Mitglieder des ständigen Sicherheitsrates – USA, China, Russland, Frankreich, England – immerhin verpflichtet, das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu erreichen.
Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen und einen Leitfaden durch die komplexen Verhandlungsprozesse der nuklearen Totalabrüstung zu schaffen, hat das Basler Peace Office ein wegweisendes Dossier erarbeitet: «Neutrale Länder und die Weltuntergangsuhr».
Wir fordern die Schweizer Regierung auf, endlich dem Vertrag über das Verbot von Atomwaffen beizutreten.
Unser Papier schlägt unter anderem den bislang fehlenden Zeitrahmen vor. Bis spätestens 2045 müssen sämtliche Atomwaffen vernichtet sein. Hierfür soll sich die Schweiz speziell im Sicherheitsrat, weiterhin an den Vorbereitungstreffen und der Überprüfungskonferenz des Atomsperrvertrags, sowie am Gipfel für nachhaltige Entwicklungsziele 2023 und bei der Vorbereitung des Zukunftsgipfels 2024 einsetzen.
Um die nukleare Bedrohung zu eliminieren, müssen die Staaten mit nuklearem Waffenarsenal auch die UN-Menschenrechtsgremien nutzen. Im Oktober 2018 bekräftigte der UN-Menschenrechtsausschuss, dass das Recht auf Leben bereits durch die Androhung eines atomaren Waffengangs verletzt wird. Es gibt also nach internationalem Menschenrecht eine klare Verpflichtung zur Abschaffung der Atomwaffen.
Schliesslich fordern wir die Schweizer Regierung auf, endlich dem Vertrag über das Verbot von Atomwaffen beizutreten – weil damit die Verhandlungsposition der Schweiz glaubwürdig gestärkt wird.
*Andreas Nidecker ist Präsident und Alyn Ware Direktor des Basler Friedensbüros.
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