Kommentar zur Crypto-AffäreDie Schweiz geht fahrlässig um mit ihrer Neutralität
Ein neues Gutachten zeigt klare Verletzungen des Neutralitätsrechts auf. Das Parlament muss jetzt handeln.
Neutralität? Das Schweizer Parlament geht fahrlässig um mit diesem Wert, der den Kleinstaat in den letzten zwei Jahrhunderten aus allen grossen Kriegen herausgehalten hat.
Die Schweiz verhalf den USA im Irak zu einem schnellen Sieg.
Aber im Fall der Zuger Spionagefirma Crypto hat die Schweiz spätestens ab 2002 die Neutralitätspolitik klar verletzt: Sie hat in Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten über 100 Kundenländer aktiv hinters Licht geführt. Diese hatten auf die Sicherheit und Unabhängigkeit von Schweizer Technologie vertraut. Tatsächlich aber las die CIA mit. Die Schweiz nahm also Partei für eine Seite.
Zu diesem Schluss kommt der Genfer Völkerrechtler Marco Sassòli in einem Gutachten. Die Schweiz schwächte während des dritten Golfkriegs mit ihrer Bewilligung der Lieferung knackbarer Chiffriergeräte die irakische Seite und verhalf damit den USA 2003 mit zum raschen Sieg. Neutral ist anders.
Die SP hat das Gutachten in Auftrag gegeben. Sie und die Grünen wollen mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission Licht in diese Geschichte bringen. Die Bürgerlichen sind dagegen. Sie wollen den Sündenfall Crypto möglichst rasch ad acta legen und geben sich mit dem Befund der Geschäftsprüfungskommission zufrieden. Diese hatte die Politik von jeder Mitverantwortung freigesprochen.
Jetzt ist eine Diskussion über die Neutralität fällig.
Belegt ist dies schwach und schlüssig schon gar nicht. Wenn der Schweizer Nachrichtendienst die Neutralität eigenmächtig verletzte, dann müssen seine Chefs jetzt Konsequenzen tragen. Wenn die Politik diese Haltung mittrug, dann wäre jetzt eine Diskussion über die Neutralität im Parlament fällig.
Denn die Neutralität wird an Bedeutung gewinnen, weil sich die Rivalität zwischen der USA und China zuspitzt und Europa zwischen den Fronten laviert. Die Schweiz könnte dabei eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie seinerzeit im Kalten Krieg. Voraussetzung ist allerdings, dass man ihrer Neutralität wieder trauen kann. Das Parlament macht im Moment nicht sonderlich viel dafür.
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