Miniatur des AlltagsDie Sache mit der Ehrlichkeit
Ehrlichkeit ist ein kostbares Gut. Manchmal aber wäre man lieber unwissend geblieben.

Ich mag es, wenn Menschen ehrliche Aussagen machen. Nicht solche, die verletzend und despektierlich sind, sondern solche, nach denen man weiss, was Sache ist – und im besten Fall noch darüber schmunzeln kann.
Da war etwa die Angelegenheit mit der Eventagentur. Ich rief an, um mich beraten zu lassen, doch es meldete sich bloss der Telefonbeantworter. «Wir können Ihren Anruf gerade nicht entgegennehmen», sprach die männliche Stimme das Standardsätzli. Und weiter: «Bitte sprechen Sie nichts auf den Beantworter, wir hören ihn sowieso fast nie ab.» Ich musste laut lachen und war auch dann noch amüsiert, als der Mitarbeiter bald darauf zurückrief.
An einem anderen Tag kaufte ich in einem Grossverteiler ein. Ich überlegte mir, eine grosse Menge bestimmter Aprikosen einzukaufen. Da ich die orangen Früchte nur süss mag, fragte ich einen Angestellten um Rat. «Von dieser Sorte habe ich noch nicht probiert», sagte er. «Aber diese hier», er zeigte auf eine andere Kiste mit Aprikosen, «die sind so sauer, da zieht es Ihnen die Schuhe aus.» Ich behielt die Schuhe lieber an und erkor den Mitarbeiter zu meinem Lieblingsangestellten. Ob der Geschäftsführer das auch so sehen würde, sei dahingestellt.
Manchmal geben Leute allerdings Dinge preis, die man lieber nicht gewusst hätte. Bei einem Facharzt hatte ich gerade eine aufwendige Messung hinter mir. Ich war erstaunt, dass die Resultate sich gegenüber dem letzten Mal nicht verschlechtert hatten – denn leider hatte ich die verordneten Medikamente unregelmässig genommen. Meine diesbezügliche Beichte quittierte der Arzt mit einem Schulterzucken. «Ach», sagte er, «diese Messung sagt sowieso nichts aus über Ihren aktuellen Gesundheitszustand. Aber sie ist doppelt so gut bezahlt wie meine Gesprächszeit mit den Patienten.»
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