US-VorwahlenDie Revolution ist verschoben
Bernie Sanders gibt im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur auf. Damit steht Joe Biden als Herausforderer von Donald Trump fest. Was bleibt vom Wahlkampf des Linkspolitikers?
Er sah keinen Weg nach vorne, keinen Weg zum Sieg: Bernie Sanders hat aufgegeben. Die Ankündigung des Senators vom Mittwoch, seine Präsidentschaftskandidatur zu beenden, kommt nicht überraschend. Zwar hatte es noch Ende Februar so ausgesehen, als würde Sanders der Mann, der für die Demokraten gegen Donald Trump antreten wird. Doch nach dem beispiellosen Comeback des früheren Vizepräsidenten Joe Biden war Sanders’ Rückstand in den verbleibenden Vorwahlen kaum mehr aufzuholen. Biden hat viel mehr Delegierte gewonnen und führt alle Umfragen mit grossem Abstand an.
Sanders hätte wohl trotzdem noch eine Weile weitergemacht, wenn nicht die Corona-Krise die Vorwahlen zur Farce gemacht hätten. Das zeigte sich im Bundesstaat Wisconsin, wo am Dienstag inmitten der Pandemie eine Vorwahl stattfand, bei der keine briefliche Stimmabgabe zugelassen war. Die Menschen standen stundenlang Schlange, drängten sich danach in einige wenige Wahllokale: Die Teilnahme an der Wahl als Gesundheitsrisiko. Das ist jetzt – zumindest, was die Vorwahlen angeht – vorbei. Auch wenn die offizielle Nominierung erst im August erfolgt, steht Biden nun als Kandidat der Demokraten fest.
Nach links gerückt
Seine Niederlage hat sich Sanders selbst zuzuschreiben. Der 78-Jährige hatte sich zwar ein weiteres Mal die Unterstützung des linken Flügels der Demokraten gesichert, aber dieser Flügel ist nicht so gross, wie viele zu Beginn des Wahlkampfs vermutet hatten. Statt sich auch um moderate Demokraten zu bemühen, setzte Sanders jedoch darauf, dass sich deren Stimmen auf viele verschiedene Kandidaten verteilen würden – womit ihm eine relative Mehrheit bleiben würde. Dieser Plan scheiterte daran, dass sich die gemässigten Wähler spät, aber deutlich hinter Biden stellten. Sie glauben, dass Biden die besseren Chancen hat, Trump zu besiegen.
Die Revolution, von der Sanders im Wahlkampf gesprochen hatte, ist damit abgesagt. Und doch hat Sanders, der sich einen demokratischen Sozialisten nennt, die Demokratische Partei verändert und geprägt. «Wir haben die ideologische Schlacht gewonnen», sagte er am Mittwoch. Tatsächlich sind viele von Sanders’ Forderungen längst im demokratischen Mainstream angekommen. Ein höherer Mindestlohn, höhere Steuern für Reiche, ein Ausbau des Versicherungsschutzes, ein sogenannter Green New Deal für die Wirtschaft: Das sind Positionen, die eine Mehrheit der Demokraten unterstützt.
Viele Demokraten befürchten, dass Sanders’ Anhänger Biden im Herbst nicht unterstützen werden.
Auch Biden hat sich unter dem Druck von Sanders und dem progressiven Flügel nach links bewegt. Als Senator hatte er sich noch dafür ausgesprochen, Sozialbeiträge zu kürzen, inzwischen spricht er sich für einen Ausbau aus. Mitte März schloss sich Biden auch der Forderung von Sanders an, wonach der Zugang zu bestimmten Colleges kostenlos sein müsse und Studenten einen Teil ihrer Darlehen zu erlassen. Der frühere Vizepräsident geht auch in der Steuer- und Umweltpolitik deutlich weiter, als es die 2016 gegen Trump gescheiterte Kandidatin Hillary Clinton getan hatte. Vor diesem Hintergrund sei es fast schon irreführend, Biden als «Moderaten» zu bezeichnen, bemerkte die «New York Times» kürzlich.
Die Frage ist, ob das auch Sanders’ Anhänger so sehen. Bei den Demokraten ist die Angst gross, dass ein erheblicher Teil seiner Unterstützer bei den Wahlen im Herbst daheim bleiben wird – oder sogar für Trump einlegen könnte. Tatsächlich gibt es am linken Rand einige Stimmen, die in Biden einen verkappten Republikaner sehen, der keine Unterstützung verdiene. Wie repräsentativ diese Stimmen wirklich sind, ob sie im Herbst auch gehört werden: Das ist aber nicht klar. Sanders selbst lobte Biden am Mittwoch als «anständigen Menschen» und versprach, ihn dabei zu unterstützen, Trump zu besiegen.
Leise geht er nicht
Sanders wäre aber nicht Sanders, wenn er still und leise gehen würde. Er kündigte an, dass er in den verbleibenden Vorwahlen weiterhin auf dem Wahlzettel stehen werde, um so Delegierte für den Nominierungsparteitag zu sammeln. Je mehr Delegierte, desto grösser der Einfluss auf das Parteiprogramm.
Sanders glaubt – wohl nicht zu Unrecht –, dass die Corona-Pandemie die Unterstützung für eine allgemeine Krankenversicherung stärkt, die er seit langem anstrebt. «Die schreckliche Krise hat für jeden sichtbar gemacht, wie absurd unser System ist, das den Versicherungsschutz vom Arbeitgeber abhängig macht», sagte er. Gut möglich, dass sich Biden in diesem Punkt noch ein wenig mehr auf Sanders zubewegt. Die Revolution wäre dann nicht ganz abgesagt – sondern nur verschoben.
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