Nach Hin und Her beim Twitter-KaufDie Politische Rechte feiert Elon Musk als raffinierten Schachspieler
Der Tesla-Gründer wollte Twitter als Plattform für die Meinungsfreiheit etablieren. Darauf hofften vor allem Kreise um Ex-Präsident Donald Trump. Sie sind nun die Verlierer – feiern sich aber als Sieger.
Der Entscheid von Tesla-Gründer Elon Musk, den Kauf von Twitter abzublasen, ist ein finanzieller Verlust für die Plattform, aber ein Gewinn für die Meinungsäusserungsfreiheit. Doch die politische Rechte des Landes, der Twitter den Zutritt verboten hat, sieht das anders.
Statt sich vom «Absolutisten der freien Rede» hintergangen zu fühlen und ihn zu kritisieren, flüchten sich die Wortführer der Rechten in eine verquere Logik. Der Kauf von Twitter und nun der Rückzug sei ein genialer Streich, um die Falschheit der Plattform zu entlarven, so der Tenor von rechts. «Elon Musk hat von Anfang an fünfdimensionales Schach gespielt», argumentiert Ultra Pepe Live Matters, ein Propagandist der verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Gruppe QAnon. «Sein Plan, Twitter zu zerstören», geht perfekt auf.
«Musk wollte Twitter wahrscheinlich gar nie kaufen, er wollte die Plattform wohl nur blossstellen.»
Charlie Kirk, ein stark beachteter Meinungsmacher und Gründer der rechtskonservativen Organisation Turning Point USA, glaubt ebenfalls, dass Musk von Anfang an nichts anders wollte, als die Plattform als ideologisch links gedrehte Propagandamaschine zu entlarven. «Musk wollte Twitter wahrscheinlich gar nie kaufen, er wollte die Plattform wohl nur blossstellen.»
Musk habe mit dem Rückzug das einzig Richtige getan, meinte Donald Trump Junior, weil die Plattform enorm viele Spam-Konti unterhalte und deshalb bestraft gehöre. Musk hatte diese Kritik mehrfach und lautstark vorgetragen und Twitter vorgeworfen, weit mehr als nur fünf Prozent solcher Fake-Konti zuzulassen und damit den öffentlichen Diskurs zu verfälschen.
Zu keinem Zeitpunkt untermauerte Musk aber seine Kritik mit Zahlen, weshalb Juristen und Marktanalysten glauben, dass seine Rechtfertigung für den Rückzug aus dem Twitter-Deal mittels der Spam-Konti rechtlich auf schwachen Füssen steht – also ein Vorwand ist, um aus einem zu teuren und unüberlegten Geschäft auszusteigen.
Für den Sohn des Ex-Präsidenten ist indessen bereits klar, dass es auf Twitter in Zukunft «null Chancen auf freie Information und freies Denken» geben werde. Gar ein politisches Ausmisten sagt der konservative Politkommentator Dave Rubin voraus. «Holy Shit. Die Party ist vorbei, und die grosse Säuberung beginnt.»
Musk ist wie Trump sich selber der schlimmste Feind
Der Rückzug zeigt indessen, dass Musk von Anfang nicht der enge Verbündete war, den die Rechte für sich reklamierte. Er bewies mit seinen Tweets und Auftritten immer wieder, dass er die freie Meinungsäusserung nicht in erster Linie als Verfassungsrecht für alle, sondern als sein persönliches Recht betrachtete.
Ähnlich wie Mark Zuckerberg definierte er die Informationsfreiheit aus einer exklusiv amerikanischen und kommerziellen Sicht. Für ihn war und ist Twitter das Megafon, um sich abschätzig über andere zu äussern und sein Ego zu befriedigen. Den Corona-Lockdown bezeichnet er als faschistisch, den kanadischen Premier Justin Trudeau vergleicht er mit Hitler und Twitter-Chef Parag Agrawal mit Joseph Stalin.
Musk war und ist – wie Trump – sich selber der schlimmste Feind. Am Montag schickte er dem Twitter-Chef ein unflätiges Emoji (einen Haufen Hundekot), was im kommenden Gerichtsprozess von Belang sein wird. Wenn so der Tatbestand der öffentlichen Verunglimpfung von Twitter erfüllt ist, hat Musk den Kaufvertrag verletzt und seine rechtliche Position untergraben.
Twitter versucht den Widerstand
Der Konflikt geht somit in einen spektakulären Gerichtsfall über, an dem sich einige der grössten Anwaltskanzleien des Landes ineinander verbeissen und gleichzeitig Honorare in Millionenhöhe kassieren werden. Das Nachsehen haben sicherlich die Aktionäre, da Twitter an der Börse drastisch abgewertet wurde und ungewiss ist, wie sich die Plattform neu ausrichten soll.
Das ist umso tragischer, als sich Twitter im Ausland häufiger und energischer gegen Zensur-Durchgriffe durch autoritäre Regimes gesperrt hat als Meta und Google. So will die Regierung Modi in Indien seit Anfang vergangenen Jahres Twitter zwingen, die Konten von Regimekritikern zu sperren. Die Plattform schloss zunächst rund 500 Konti, aber wehrte sich, wie verlangt Journalisten, Aktivisten und Politiker reihenweise mundtot zu machen. Deswegen droht den Twitter-Verantwortlichen in Indien ein neues, drakonisches Gesetz mit Haftstrafen von bis zu sieben Jahren.
Auch in der Türkei und Russland widersetzt sich Twitter Zensurversuchen gegenüber Regimekritikern. Diese Attacken auf die freie Rede im Ausland schienen Musk auf seinem Egotrip wenig zu interessieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.