Finanzielle SchieflageDie ominösen Machenschaften des FC Barcelona
Der neue CEO Ferran Reverter packt über die Vorgehensweise der ehemaligen Barça-Führung aus. Die Details sind brisant.
Für das spanische Adjektiv «nefasto» hält das Wörterbuch eine Reihe von Übersetzungen parat. Zum Beispiel: «verheerend». Oder: «katastrophal». Oder: «unheilvoll». Am Mittwoch war es der neue CEO des FC Barcelona, Ferran Reverter, der das Wort «nefasto» in den Mund nahm, als er in einer Pressekonferenz in Barcelona neue Details zur finanziellen Lage seines Clubs lieferte. Und wahrlich, sie ist katastrophal und verheerend, und wäre Barça nicht «von Natur aus widerstandsfähig» – wie die 122-Jährige Geschichte des Clubs beweise –, so hätte man wohl in diesem Jahr nur noch fragen dürfen, wer beim FC Barcelona die Lichter ausmacht. «Wäre Barça eine Sportaktiengesellschaft (und nicht ein gemeinnütziger Verein), hätte ein Auflösungsgrund vorgelegen», sagte Reverter. Im März 2021 sei der Club konkursreif gewesen.
Die Schulden des FC Barcelona beliefen sich damals, sprich: beim Antritt des neuen Präsidiums, auf 1,3 Milliarden Euro. Sagte Reverter, der vor seinem Wechsel in die katalanische Hauptstadt Chef der Elektronikmarktkette MediaMarkt in Deutschland gewesen war. Nach dem Jahrtausendwechsel gab es in der Elektronikbranche das berühmte Werbemotto «Geiz ist geil»; das Leitbild des früheren Barcelona-Präsidiums lautete offenkundig: «Geiz ist ungeil». Der Club warf das Geld munter zum Fenster raus.
Gelöschte Mails und gestückelte Rechnungen
Teilweise seien Vorgänge durch die Due-Diligence-Prüfung, die Reverter am Mittwoch vorstellte, nicht sofort vollumfänglich nachzuvollziehen. Wie bei Regierungswechseln üblich wurden Mails gelöscht, Laptops von Führungsmitgliedern als privat deklariert; vielleicht komme da noch etwas. Mittlerweile seien Forensiker beauftragt worden, die Prüfung der Rechnungen zu vervollkommnen. Es habe auch Fälle von Stückelung von Rechnungen gegeben, um Kontrollgremien zu umgehen. Ob rechtliche Schritte gegen das Vorgängerpräsidium eingeleitet werden, sei noch nicht entschieden, aber möglich.
Selbst das, was am Mittwoch vorgetragen wurde, mutete abenteuerlich an. Beraterprovisionen hätten sich bei Spielerwechseln auf bis zu 33 Prozent der Operation belaufen – das Dreifache des üblichen Werts. Gift war vor allem der Verkauf von Stürmer Neymar an Paris Saint-Germain im Jahr 2017. Denn dessen Weggang versuchte Barça durch eine «völlig planlose» und letztlich «verrückte» Einkaufspolitik zu kompensieren. Von 2017 bis 2021 habe Barça Gehaltsausgaben von insgesamt 1,4 Milliarden aufgetürmt – «für nur vier Spieler». Dem Vernehmen nach handelte es sich dabei um den dauerverletzten Ousmane Dembélé (früher Borussia Dortmund), Philippe Coutinho (FC Liverpool), den nunmehr bei Paris Saint-Germain agierenden Lionel Messi und den zu Atlético Madrid zurückgekehrten Antoine Griezmann. Zum Vergleich: Mit 300 Millionen Euro pro Saison lagen die Gehaltsausgaben Barcelonas für vier Spieler oberhalb des Jahresetats von Juventus Turin.
Reverter zufolge wurde eine desaströse Spirale in Gang gesetzt. Ohne die Eingriffe des neuen Präsidiums wären die Gehaltsausgaben in diesem Jahr «auf 108 Prozent der Einnahmen gestiegen, das heisst: auf 835 Millionen Euro». Es seien Spieler geholt worden, «ohne zu wissen, ob man sie bezahlen kann», was im Falle Griezmanns zur Aufnahme von zwei Krediten geführt habe – mit entsprechenden zusätzlichen Kosten. Wie hoch diese sein können, veranschaulicht der Fall Coutinho; er führte zu «Finanzaufwendungen» von 16 Millionen Euro, die sich zu einer Ablöse von mehr als 145 Millionen Euro addieren.
Ein weiteres Problem: Gehaltszahlungen seien gestreckt worden. Es habe Fussballer gegeben, die im ersten Vertragsjahr neun Millionen Euro brutto verdienten, im zweiten Jahr 19 Millionen und im dritten Jahr 28 Millionen kassieren sollten. «Das ist eine verdeckte Verschuldung, die uns jetzt auch schadet, weil einige Spieler den Club nicht verlassen wollen, da ihr letztes Vertragsjahr das ist, in dem sie am meisten verdienen sollten», sagte Reverter.
Diese verheerende Kostenstruktur wurde durch die Pandemie verschärft. Aber in geringerem Masse, als das Vorgängerpräsidium behauptet – sagt Reverter. Er bezifferte die Covid-Verluste bis März 2021 auf 108 Millionen Euro. Alles in allem führte die Lage dazu, dass dringend Geld beschafft werden musste. Im Frühjahr nahm Barça einen Kredit bei einer US-Bank mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf, bei einem Zinssatz von 1,98 Prozent. In der Kombination sei dies ein Ausweis der Glaubwürdigkeit des neuen Präsidiums, das einen Plan habe, sagte Reverter. Nach seiner Auffassung werde das neue Präsidium wohl fünf Jahre brauchen, um die Lage in den Griff zu bekommen. Das werde nicht einfach – zumal dringend benötigte Renovierungen des Vereinsgeländes anstehen, Stadion inklusive.
Vorerst keine AG geplant
Die Kosten für dieses Projekt, das unter dem Schlagwort «Espai Barça» firmiert, seien von der früheren Clubführung kleingerechnet worden. «Es wurde mit 600 Millionen Euro veranschlagt, obwohl der Durchschnittspreis der 35 Stadien, die in Europa neu entstanden sind, bei 900 Millionen Euro lag», sagte Reverter. Man werde bei der kommenden Mitgliederversammlung die Genehmigung für einen Kredit über bis zu 1,5 Milliarden Euro einholen, kündigte Reverter an – zweckgebunden für «Espai Barça».
Gleichwohl gebe es Anlass zu verhaltenem Optimismus. Der Verein habe die irrwitzig anmutenden Gehaltskosten senken können, man arbeite weiter an einer Kostensenkung. Die Marke Barça sei auch nach dem Weggang Messis wirkmächtig, man habe weltweit 400 Millionen Fans und damit ein enormes Werbepotenzial, man werde sicher auch für grosse Spieler attraktiv bleiben. Eine Umlage unter den Mitgliedern oder eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft stünde nicht zur Debatte, sagte Reverter. Doch das klang sehr danach, als gelte das nur vorerst.
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