FC Barcelona fällt immer tieferJetzt wirds sogar dummdreist
Sportlich und finanziell am Boden: Barça macht sich in der Frage nach der Trennung von Trainer Ronald Koeman lächerlich. Und es droht die Umwandlung in eine AG.
Es gibt Dinge, die sich nie ändern, und dazu zählt der periodische Rückfall des FC Barcelona in einen Zustand des Wahnsinns. Nun ist es wieder einmal so weit. Am Freitag setzte sich Barça-Trainer Ronald Koeman vor die Medien und gerierte sich wie der Protagonist der «Erschiessung der Aufständischen», dem berühmten Gemälde von Francisco de Goya, das im Madrider Prado hängt. Zwar hatte niemand Waffen auf den niederländischen Trainer gerichtet, allenfalls Kameras, Mikrofone und Kugelschreiber. Aber Koeman tat, als entböte er einem Erschiessungskommando die blanke Brust: Er zitierte die «berühmten letzten Worte» von Louis van Gaal, der einst ebenfalls Trainer in Barcelona gewesen war.
Im Jahr 2000 hatte van Gaal ein paar Sätze gesagt, die in Erinnerung blieben: «Queridos amigos de la prensa…», hatte er mit versteinerter Miene gesagt, und Koeman erklärte nun, dass er sich genau an diese Szene erinnert habe, als er den Presseraum betrat: «Meine lieben Freunde von der Presse…», sagte also Koeman. Den Rest des Van-Gaal-Zitats behielt Koeman aber für sich, dieser lautete: «Ich gehe. Glückwunsch.»
Diese beiden Zusätze verkniff sich Koeman. Und er lächelte nicht nur, als sie ihm ein geistesgegenwärtiger Journalist entgegenhielt. Sondern er feixte: «Ich bleibe.» Er warf zwar relativierend ein, dass er «Augen und Ohren» habe und «schon was dran sei», wenn die Medien berichteten, dass er längst abgeurteilt sei. Es geht nicht skurriler? Oh doch!
Von Suárez durch den Kakao gezogen
Auch am Sonntag war Koeman noch Trainer, obwohl seine Mannschaft am Abend zuvor bei Atlético Madrid 0:2 verloren hatte. Stunden vor der Partie hatte Präsident Joan Laporta gesagt, dass Koeman völlig unabhängig vom Resultat bleiben werde, «er verdient eine Vertrauensmarge», weil er eine Clublegende sei. Ein Vizepräsident des FC Barcelona, Rafael Yuste, setzte noch einen drauf und verstieg sich zu einer dummdreisten Bemerkung: Man habe «niemals» erwogen, Koeman abzusetzen. Das war dreist, weil das Gegenteil der Fall ist. Und dumm, weil sie die Ahnungslosigkeit des Präsidiums entlarvte, wie sich auch am Samstag bei Atlético zeigte.
Dass die Zeitung «As» am Sonntag berichtete, einem «Pausenplatzspiel zwischen fünfter und siebter Klasse» beigewohnt zu haben, traf die Essenz des 2:0-Siegs Atléticos durchaus. Denn Atlético kam durch Thomas Lemar und Luis Suárez zu derart einfachen Toren, dass man sich fragen musste, wie es um die taktische Arbeit mit dem Team bestellt ist. Dass ausgerechnet Suárez das 2:0 erzielte, verlieh dem Ganzen eine spöttische Note: Vor einem Jahr war Suárez – drittbester Torjäger der Clubgeschichte – von Barça an Atlético verschenkt worden. Nach seinem Tor bat Suárez erst die Barça-Fans gestenreich um Vergebung, dann zog er aber den gesperrten und deshalb auf der Ehrentribüne sitzenden Barça-Trainer Koeman durch den Kakao, indem er tat, als würde er telefonieren. Hintergedanke: Koeman hatte ihm im Sommer 2020 in einem knapp 60-sekündigen Telefonat mitgeteilt, dass er sich einen neuen Verein suchen solle. Suárez bestritt hinterher selbstredend, dass die Telefonat-Geste auf Koeman gemünzt gewesen sei: «Nooooooo…», sagte er, «es war nur ein Jux, den ich mit meinen Kindern verabredet hatte…» Was eine Gnadenlüge war: Denn vielleicht erhält Koeman bald selbst einen Entlassungsanruf.
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Nur: Die Demission Koemans gestaltet sich schwierig. Vordergründig wäre nun ein guter Moment, es steht eine zweiwöchige Länderspielpause an. Aber danach warten Valencia, Dynamo Kiew und Real Madrid. Jenseits davon gibt es Probleme grundsätzlicher Natur. Es gibt im Präsidium keinen Konsens über den idealen Kandidaten, und Geld ist auch nicht da. Allein die Abfindung Koemans wird auf zwölf Millionen Euro taxiert – was schon unter normalen Umständen eine Menge Geld wäre, das nun aber im Lichte von 1,3 Milliarden Euro Schulden erst recht ist. Die Finanzlage «ist kein Rucksack, sondern eine Kathedrale auf dem Rücken», schrieb die Zeitung «El Periódico de Catalunya», als sie am Sonntag konstatierte, dass die «Verwüstung des FC Barcelona entblösst» worden sei. Und das bezog sich nicht darauf, dass Barça Tabellensiebter ist, während Meister Atlético auf Tuchfühlung mit Spitzenreiter Real Madrid bleibt. Es sind vielmehr die Grundfesten eines Vereins erschüttert, der sich rühmt, «mehr als ein Club» zu sein. «Unaufhörliches Requiem», titelte «La Vanguardia».
Der Umbau des Stadions verschlingt Hunderte Millionen Euro
Der FC Barcelona ist ein gemeinnütziger Verein und damit zwar nicht gewinnorientiert, wohl aber Vereinsstatuten unterworfen. Und diese besagen unter anderem, dass ein Präsidium zurücktreten muss, wenn zwei Jahre lang Verluste eingefahren werden. Das Defizit der vergangenen Saison, das noch dem Vorgängerpräsidium angelastet werden kann, belief sich auf 481 Millionen Euro. Am Mittwoch wird Barcelonas Präsidium die Resultate einer Due-Diligence-Prüfung vorstellen – und wahrscheinlich rechtliche Schritte gegen das Vorgängerpräsidium einleiten. Es gibt Gerüchte über massive Unregelmässigkeiten. Damit nicht genug: Präsident Laporta will den Artikel aussetzen, der im Fall von Verlusten den Rücktritt des Vorstands vorsieht.
Das klingt wie die Kapitulation vor den finanziellen Verhältnissen – und hätte Folgen. Es wäre die Vorstufe der Umwandlung des Clubs in eine Aktiengesellschaft, sagt Toni Freixa, der bei der letzten Präsidentschaftswahl im März gegen Laporta verloren hatte. «Wenn es keine Grenzen und Kontrollen gibt und man erlaubt, dass sich Barcelona weiter verschuldet, wird der Verein am Ende in den Händen der Gläubiger landen», sagte er «El Periódico». «Die Gläubiger wollen kassieren, das ist wie bei einer Hypothek: Wenn du nicht zahlst, geht die Wohnung an die Bank. Meine Sorge ist, dass die Lage so dramatisch wird, dass uns gesagt wird: ‹Wenn wir wollen, dass der Club weiter existiert, müssen wir uns in eine Sport-AG umwandeln›, und den Mitgliedern nichts anderes übrig bleibt, als es hinzunehmen.»
Die Gefahr ist real: Der ausstehende Umbau des reformbedürftigen Stadions wird ebenfalls Hunderte Millionen Euro verschlingen. Längst beschäftigen sich die katalanischen Medien sehr intensiv mit dem Modell, das in Deutschland vorherrscht (und Investoren gerne abgeschafft sähen): die berühmte 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzt. «El Periódico» erhob am Sonntag ausgerechnet den Champions-League-Gruppengegner FC Bayern zum leuchtenden Beispiel: «Er kann mit seinen Minderheiten-Aktionären für sich in Anspruch nehmen, wirtschaftlich und sportlich beneidenswert gut verwaltet zu werden», hiess es.
Ein detaillierter Artikel erschien mit der Überschrift «Romantiker versus Titanen», mit einem VIP-Tribünen-Foto, auf dem Ex-Adidas-Manager und Neu-Präsident Herbert Hainer, Neu-CEO Oliver Kahn und Ex-Boss Uli Hoeness zu sehen sind. Letzterer sollte wohl als Romantiker herhalten, er hatte neulich in höhnischen Worten eine bittere Wahrheit formuliert: In Deutschland wäre Barça ein Fall für den Konkursrichter.
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