Ergonomisches EllipsenfahrradDie bessere Art, Velo zu fahren
In Amerika sieht man sie schon öfter, in der Schweiz sind sie noch eine Seltenheit: Lesen Sie hier, warum das Ellipsenfahrrad ergonomisch das sinnvollere Fortbewegungsmittel ist als das herkömmliche Velo.
Sophie Wirz ist eine sportliche Frau. Wenn immer es die Zeit erlaubt, joggt sie, fährt Velo oder reitet. «Da kann ich am besten vom Alltag und der Arbeit herunterkommen», sagt die 39-jährige Tierärztin aus Biel-Benken BL.
Umso betrübter war sie, als sich bei ihr zunehmend Rücken- und Hüftbeschwerden bemerkbar machten. Da empfahl ihr Physiotherapeut Markus Friedlin (64), bei dem sie sich behandeln liess, die sportlichen Aktivitäten anzupassen: Statt zu joggen und Velo zu fahren, solle sie doch besser auf ein sogenanntes Ellipsenfahrrad umsteigen – damit könne sie ihren muskulär bedingten Schmerzen entgegenwirken.
«Geniale Kombination von Velo und Crosstrainer»
Eines dieser neuartigen Vehikel hatte Friedlin zuvor erstmals an einer internationalen Fitnessmesse gesehen – und auch getestet. «Ich war sofort überzeugt von dem Gerät», sagt der Physiotherapeut, der sich auf Ergonomie, Haltungs- und Bewegungstherapie spezialisiert hat. «Diese Kombination von Velo und Crosstrainer ist einfach genial.»
An besagter Messe hat er auch einen Sporthändler getroffen, der die beiden Erfinder des Ellipsenfahrrads persönlich kennt. Anders als in den USA, wo das neuartige Fortbewegungsmittel vor allem als Sport- und Fun-Gerät verkauft wird, wollte es Friedlin aber für therapeutische Zwecke nutzen und es auch seinen Berufskolleginnen und -kollegen bekannt machen, zum Beispiel mit der Möglichkeit von Testfahrten.
Denn wie viele andere Ergonomen und Physiotherapeutinnen findet auch Friedlin das Velo allein nur bedingt ein gesundes Sportgerät: Es entlaste zwar Knie- und Fussgelenke und trainiere Herz und Kreislauf. Ergonomisch betrachtet sei das Velo aber nicht ideal, besonders wenn es noch einen nach unten gebogenen Rennlenker hat. Fachmann Friedlin nennt folgende Nachteile für die Körperhaltung:
Krummer Rücken: Die Wirbelsäule ist beim Velofahren meist gebogen (je nach Rahmengeometrie mehr oder weniger). Damit wird die Beugestellung mit verkürzter Brust-/Bauchmuskulatur und eingeschränkten Atembewegungen noch verstärkt. Denn diese Stellung nehmen die meisten Menschen heute schon im Alltag ein, so etwa beim Sitzen.
Überstreckter Nacken: Besonders kritisch ist der Nackenbereich, weil dieser überstreckt werden muss, um nach vorne auf die Strasse zu schauen. Muskulatur und Gelenke im Nacken werden daher konstant überlastet.
Verkürzte Hüftbeuger: Im Hüftbereich wird die Beugehaltung beim Treten nicht vollständig ausgeglichen. Das hat zur Folge, dass Verkürzungen der Hüftbeugemuskulatur, die durch häufiges Sitzen entstanden sind, bestehen bleiben.
Schmerzende Handgelenke: Der Abstützdruck auf die Hände kann zu Irritationen der Nerven an den Handgelenken führen.
Beeinträchtigte Geschlechtsorgane: Der Druck auf dem Sattel kann die Funktion der Geschlechtsorgane stören.
Tipp: Wer trotzdem beim traditionellen Velofahren bleiben möchte, sollte zumindest ein abwechslungsreiches Gelände mit einigen Steigungen wählen – das zwingt einen, auch mal aus dem Sattel in den Wiegetritt zu gehen und so die Position zu wechseln. Ergonomisch gesehen, ist ein Mountainbike ohnehin besser als ein Rennvelo. Zudem sind Bergfahrten deutlich effektiver für Herz und Kreislauf als langes Rollen im Flachen.
All diese Überlegungen und ergonomischen Nachteile fallen beim Ellipsenfahrrad weg. Denn da sitzt man nicht (was wir im Alltag ja ohnehin schon zu häufig tun), sondern man steht. «Das erlaubt eine optimale aufrechte Wirbelsäulenhaltung», erklärt Markus Friedlin. «Dazu haben wir in den Hüftgelenken eine fliessende, elliptische Schrittbewegung zum Ausgleich der Beugehaltung, was Muskelverkürzungen verhindert.» Und: Im Gegensatz zum Joggen komme es auch nicht zu Stossbelastungen auf Fuss-, Knie- und Hüftgelenke. «Das Ellipsenfahrrad ermöglicht deshalb auch Menschen mit künstlichen Gelenken, intensiv zu trainieren.»
Höherer Kalorienverbrauch als mit normalem Velo
Ausser der idealen Ergonomie hat das Ellipsenfahrrad noch weitere Vorzüge: Dank der stehenden Position hat man im Strassenverkehr eine bessere Übersicht. Und was Menschen mit Gewichtsproblemen besonders interessieren dürfte: Mit dem Ellipsenvelo verbraucht man gemäss Studien rund 30 Prozent mehr Kalorien als mit einem normalen Velo.
Wenn das für Sophie Wirz auch nicht der Grund war, aufs Ellipsenfahrrad zu wechseln – nach zwei Monaten Training verspürt sie eine therapeutische Wirkung: Ihre Hüftschmerzen haben sich deutlich gebessert. Und was die Ausdauer betrifft, ist sie wieder auf dem gleichen Niveau wie vor ihren Beschwerden, als sie noch regelmässig joggen konnte.
Kein Wunder, hat sie sich doch inzwischen selbst ein Ellipsenfahrrad gekauft und ist damit mindestens zweimal pro Woche unterwegs. «Denn bei allen gesundheitlichen Vorteilen macht es ganz einfach auch riesig Spass.»
Entwickelt von zwei findigen US-Triathleten
Bryan Pate (49) war in den frühen 2000er-Jahren ein leidenschaftlicher Läufer und Triathlet – bis ihn Hüft- und Knieprobleme ausbremsten. Um seine Gelenke zu schonen, fuhr er fortan hauptsächlich Rad oder nutzte im Fitnessstudio den Crosstrainer. Für den sonnenverwöhnten Kalifornier jedoch keine echte Alternative.
Als der studierte Jurist seinem gleichaltrigen Sportkollegen Brent Teal, einem Maschinenbauingenieur, von seiner unbefriedigenden Situation erzählte, kamen die beiden bald auf die zündende Idee: Nehmen wir doch vom Laufen, vom Velofahren und vom Crosstrainer die jeweils besten Eigenschaften und kombinieren sie in einem Gerät – herausgekommen ist das Ellipsenfahrrad (sehen Sie hier die ganze Story: www.elliptigo.de/die-geschichte-von-elliptigo).
Heute, 15 Jahre später, betreiben die beiden Erfinder in Solana Beach die Firma Elliptigo und sind mit ihren Produkten die weltweit führenden Hersteller. Neben den klassischen Ellipsenfahrrädern mit ihren sanften Laufbewegungen werden mittlerweile auch sogenannte Stand-up-Bikes produziert, die näher am Velofahren sind (die aufrechte Position bleibt aber gleich wie beim Ellipsenfahrrad). Vorteil: Stand-up-Bikes sind leichter, kürzer und deshalb besser zu transportieren.
Während in den USA immerhin schon rund 40’000 Ellipsenfahrräder und Stand-up-Bikes auf den Strassen zirkulieren, sind sie in Europa und der Schweiz noch eine Ausnahme. Das liegt wohl daran, dass das Velo bei uns eine lange Tradition hat und vor allem als Fortbewegungsmittel im Alltag genutzt wird – und weniger als Sportgerät.
Aber auch der Preis dürfte eine Rolle spielen: Ein Ellipsenfahrrad kostet derzeit stolze 3000 Franken oder mehr, und auch für ein Stand-up-Bike muss man noch fast 2000 Franken hinblättern.
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